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Meinung: Highnoon ist erst in zwei Wochen

Dean steigt aus, Edwards steigt auf: John Kerry ist noch lange nicht der Kandidat der Demokraten

Zwei Sätze sprechen Bände. „Ein Sieg ist ein Sieg“, sagte John Kerry, nachdem er am Dienstag auch in Wisconsin die Vorwahl der Demokraten gewonnen hatte. Ein Sieg ist ein Sieg: So rechtfertigt sich ein Trainer, dessen Top-Team gerade mit Ach und Krach in der letzten Minute der Verlängerung einen drittklassigen Gegner bezwungen hat. Das klingt erleichtert, aber nicht stolz.

„Objekte im Rückspiegel können näher sein, als sie scheinen.“ Das rief John Edwards aus, der Senator aus North Carolina, der sich mit Kerry überraschend ein Kopf-an- Kopf-Rennen geliefert hatte. Das klingt frisch, frech und angriffslustig. Edwards, der Aufholer und Optimist mit Sexappeal, steht im Rampenlicht.

Medien sind gemein. Sie schaffen sich jene Stars, die sie später verspotten. In ihrer ganzen Brutalität hat diese Lektion zunächst Howard Dean gelernt, der Ex-Gouverneur von Vermont. Bis vor vier Wochen war er der Liebling, der Hoffnungsträger, der Strahlemann. In allen Umfragen lag er vorn. Die beiden mächtigsten Gewerkschaften, auch Ex-Vizepräsident Al Gore und Ex-Präsident Jimmy Carter schlugen sich auf seine Seite. Dann erlitt der gelernte Arzt auf seiner ersten Station im US-Bundesstaat Iowa ein Debakel. Fortan wurde er gnadenlos abgeschrieben. Das Establishment rächte sich an dem Rebellen.

Davon profitierte Kerry. Der Senator aus Massachusetts konnte 15 von 17 Vorwahlen für sich entscheiden. Er gilt weiter als klarer Favorit. Doch sein Image bekommt Kratzer, und täglich werden sie tiefer. Gerüchte über Affären werden gestreut, angeblich verfängliche Bilder aus seiner Anti-Kriegs-Vergangenheit veröffentlicht, sein extrem liberales Wahlverhalten im Kongress bemängelt. Der hoch dekorierte Vietnam-Veteran mit langjähriger Kongresserfahrung: Eine Zeit lang überzeugte dieses Renommee. Kerry galt als „wählbar“. Ihm wurden die besten Chancen gegen Amtsinhaber Bush eingeräumt.

Doch was für ein „Frontrunner“ ist Kerry? In Wisconsin haben ihm 39 Prozent der Wähler ihre Stimme gegeben. Anders ausgedrückt: 61 Prozent haben dem einzigen angeblich „wählbaren“ Demokraten die Zustimmung verweigert. Jetzt, da Dean ausgeschieden ist, sind die Vorwahlen faktisch zum Duell geworden: Kerry gegen Edwards. Bislang ist nicht einmal ein Drittel der Delegierten ermittelt worden, die Ende Juli den Kandidaten nominieren. Bis zum 2. März, dem „Super-Tuesday“, an dem in zehn Bundesstaaten gleichzeitig gewählt wird, bleibt es spannend.

Denn Edwards holt auf, langsam, aber stetig. Ein Duell mit Kerry: Das ist genau das, was in die Strategie des erfolgreichen Rechtsanwaltes passt. Edwards hat den Bonus des Südstaatlers. Seit John F. Kennedy hat es kein Nordstaaten-Demokrat bis ins Weiße Haus geschafft. Er hat den Bonus des Unverbrauchten: Den Widersachern des 50-Jährigen wird es schwer fallen, ihm Skandale anzuhängen oder politisches Fehlverhalten nachzuweisen. Er hat den Bonus der Biographie: Im Unterschied zu Bush und Kerry ist ihm der Erfolg nicht in den Schoß gelegt worden. Er hat den Bonus des Charismatikers: Edwards versprüht Tatendrang, er ergreift die Herzen. Für den grauhaarigen, oft abgekämpft wirkenden Kerry spricht allein die Vernunft.

„Ein Sieg ist ein Sieg“, sagt Kerry. Sein Abstand zu Edwards hat sich am Dienstag weiter vergrößert. Aber zum ersten Mal war es nur ein knapper Sieg, kein Triumph. Das alles entscheidende „Momentum“, die Schwungkraft, gehört Edwards. Vielleicht ist es zu spät für dessen Aufholjagd. Seit dem jähen Absturz von Dean indes scheint alles möglich. Ausgezählt wird erst am Ende.

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