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Meinung: Himmel und Hölle

Quadratur des Krieges: Vom Problem, ein Bündnispartner sein zu wollen

Von Robert Birnbaum

Als Kinder haben wir Himmel und Hölle gespielt. Es gab ausgefeilte Varianten; die einfachste brauchte nur einen Gehweg mit unterschiedlich gefärbten Zementplatten. Wer beim Springen von einer hellen Platte zur nächsten eine dunkle berührt, hat verloren. Man wird an das Spiel erinnert, wenn man die Bundesregierung bei ihren Bemühungen beobachtet, es sich im Irak-Streit nicht ganz mit den USA und den Nato-Verbündeten zu verderben, ohne zugleich mit einem Zeh dann doch in den Krieg zu treten. Das führt – im Spiel wie im Ernstfall – zu absonderlichen Verrenkungen.

Der offensichtlichste Fall trägt den Namen Fuchs. Man kann fast Mitleid kriegen, wenn dieser Tage Regierungssprecher die Tätigkeit der ABC-Spürtrupps in Kuwait zur rein humanitären Aktion im Rahmen der Anti-Terror-Operation „Enduring Freedom“ erklären müssen – was aber die absurde Annahme voraussetzt, die Bundeswehr-Soldaten in der kuwaitischen Wüste wüssten ja nicht mit allerletzter Sicherheit, ob dort einschlagende Raketen nicht doch von irgendwelchen Terroristen stammen könnten.

Der jüngste Fall trägt das Kürzel Awacs. Die Nato hat auf Bitten ihres Mitglieds Türkei vier dieser Fernaufklärer entsandt mit dem Auftrag, die Türkei vor Angriffen zu schützen. Dazu beobachten die Maschinen bis weit über die Grenzen hinweg jede Flugbewegung, jeden Raketenstart, jede aktive Radarstation und dirigieren im Fall des Falles Abfangjäger auf Angreifer hin. Das ist zunächst nicht aufregend, sondern genau das, wofür diese Maschinen da sind.

Leider ist das einzige Land, aus dem heraus die Türkei sich im Moment so richtig bedroht sehen könnte, der Irak. Und leider herrscht da gerade ein Krieg, mit dem die Bundesregierung um keinen Preis etwas zu tun haben will. Schon die regierungsamtliche Behauptung, dass sich mit Hilfe der Einsatzregeln für die – zu einem Drittel deutschen – Awacs-Besatzungen klar trennen ließe zwischen Türkei-Verteidigung und faktischer Mithilfe im Krieg, verlangt ein gewisses Maß an Gutgläubigkeit.

Aber die Lage ist ja noch viel komplizierter. Die Türkei ist mehr als nur ein zufälliger, unbeteiligter Nachbar des Konflikts. Die Türkei hat massive eigene Interessen an der Zukunft des Kurdengebiets im Nordirak. Die Türkei ist auf dem Wege, unter dem Deckmantel einer angeblichen Polizei- und THW-Operation zur Eindämmung eventueller Flüchtlingsströme Teile des Nachbarlands unter ihre Kontrolle zu bringen.

Das alles ist der Bundesregierung nur allzu bewusst. Sie weiß, dass die Awacs in einer Grauzone zwischen Schutz eines Bündnispartners und Unterstützung eines Kombattantenstaates operieren. Kein Wunder, dass die Regierung den Einsatz keinesfalls vom Parlament absegnen lassen will: Abgesehen davon, dass eine solche Mandatierung den angeblichen Routineflug zum Sonderfall machen würde, käme auch all dies zur Sprache.

Jetzt sollen die Deutschen aber, das hat das Sicherheitskabinett beschlossen, aus den Maschinen aussteigen, wenn die Türkei „Kriegspartei“ werden sollte. Und wer bestimmt das? Die Türkei? Die wird sich kaum selbst zum Kombattanten erklären. Also tut das die Bundesregierung im Nato-Rat, dem nämlich die deutschen Awacs-Soldaten unterstehen? Und den Bundestag geht das alles angeblich immer noch nichts an, trotz samstäglicher Krisensitzung des Sicherheitskabinetts? Sagen wir es höflich: Allmählich wirken die Verrenkungen recht ungraziös. Aber so ist das eben, wenn man einmal anfängt mit dem Himmel-und-Hölle-Spiel.

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