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"Merkozy" war ein starkes Bündnis - wie belastbar wird "Merkollande"? Im Bild Frankreichs neuer Präsident François Hollande.

© AFP

Hollande zum Antrittsbesuch in Berlin: Seiltänzer im Kanzleramt

Wer kommt wem entgegen? Für Angela Merkel ist eine Neuverhandlung des Fiskalpaktes riskant, aber Hollande muss sich bei seinem Antrittsbesuch in Berlin beweisen. Für beide ein Balanceakt.

Wenn François Hollande an diesem Dienstag von Nicolas Sarkozy das Amt des französischen Staatschefs übernimmt, wird er bei einem Gespräch unter vier Augen von seinem Vorgänger auch den Geheimcode für den Abschuss der französischen Atomraketen erhalten. Frankreichs Präsident verfügt über Machtinsignien, die deutschen Regierungschefs völlig fremd sind. Deutschlands Macht, zumal in Europa, speist sich aus Exporten und guten Wirtschaftsdaten. Heute kommt es im Kanzleramt zur ersten Begegnung zwischen François Hollande und der mächtigsten Frau Europas. Hollande will nichts Geringeres, als Europa nach links zu rücken. Angela Merkel dürfte ihm die Tour dabei nicht komplett vermasseln – schon aus eigenem Interesse.

Da sind zunächst einmal die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, die Hollande in die Karten spielen. Nach der krachenden Niederlage ihrer Partei wird Merkel weniger denn je ein Interesse daran haben, sich in den kommenden Monaten auch noch außenpolitisch angreifbar zu machen. Schon vor der Wahl Hollandes gab es Gegrummel genug in Europa über die hegemoniale Rolle Deutschlands und das angebliche Spardiktat der Kanzlerin.

Während Merkel und Sarkozy bei der Durchsetzung des Fiskalpaktes noch an einem Strang zogen, gärte es bereits in den Euro-Krisenländern: in Spanien, wo Regierungschef Mariano Rajoy die Defizitziele nicht schafft; in Portugal, wo breite Schichten in die Armut abrutschen; in Italien, wo vorerst kein Wachstum in Sicht ist.

Jetzt, da sich Hollande zum Vorreiter der Fiskalpakt-Kritiker aufgeschwungen hat und Deutschland im Kreis der Euro-Partner isoliert zu werden droht, wird der Kanzlerin kein Zacken aus der Krone brechen, wenn sie dem neuen Präsidenten zum Amtsantritt zumindest ein Stück entgegenkommt. Längst zeichnet sich ab, um welche Elemente der Fiskalpakt ergänzt werden könnte, damit künftig in Europa nicht nur gespart wird, sondern auch neues Wachstum entstehen kann. So könnten sich Merkel und Hollande wohl schnell darauf einigen, dass die Europäische Investitionsbank mehr Kapital zur Unterstützung kleiner und mittelständischer Unternehmen erhält und EU-Fördergelder künftig vermehrt arbeitslosen Jugendlichen zugute kommen.

Heikel dürfte das erste Tête-à-tête der Kanzlerin und des Präsidenten aber werden, falls Hollande Merkels rote Linie überschreitet: Eine echte Neuverhandlung des Fiskalpaktes ist für Merkel tabu – zu groß wäre das Risiko, dass an den Märkten dann erneut die Anleihezinsen für kriselnde Staaten hochschießen. Hingegen ist es in den Augen der deutschen Regierungschefin sehr wohl machbar, den Fiskalpakt um Wachstumselemente zu ergänzen, solange die Euro-Staaten dabei keine neuen Schulden aufnehmen.

Wenn Frankreichs neuer Präsident heute nach Berlin kommt, gleicht er einem Seiltänzer, der einen schwierigen Balanceakt vollführen muss: Einerseits muss er im Gespräch mit Merkel so selbstbewusst auftreten, dass die eigenen Wähler im linken Lager den angekündigten Politikwechsel und die versprochene Korrektur des Sparkurses auch in der europäischen Realpolitik wiederfinden. Andererseits muss sich Hollande davor hüten, die deutsch-französischen Beziehungen mit seinen Forderungen allzu sehr zu strapazieren. Er dürfte es sich zweimal überlegen, ob er gleich zu Beginn der Ära „Merkollande“ die Kanzlerin brüskieren oder zumindest ein paar zarte Wachstumspflänzchen wieder mit nach Hause nehmen möchte. Immerhin könnte sich der starke Mann im Elysée-Palast dann den Erfolg an die Brust heften, der Vater von Europas neuer Wachstumsagenda zu sein.

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