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Holzkreuz in Warschau: "In die Kirche, in die Kirche"

Der Streit um das meterhohe Gedenkkreuz für den tödlich verunglückten Präsidenten Lech Kaczynski in Polen spitzt sich zu - und zeigt, wie tief die Kluft zwischen der liberal-konservativen Regierung und den Nationalkonservativen noch immer ist.

Im Warschauer Präsidentenpalast residiert zwar längst der rechtsliberale Bronislaw Komorowski, doch vor dem Prachtbau halten andere Wache. Hunderte Menschen, darunter viele Anhänger der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), blockieren dort seit Tagen den Zugang zu einem knapp fünf Meter hohen Holzkreuz. Sie wollen, dass es vor dem Palast stehen bleibt – und nicht, wie von Staatspräsident Komorowski und dem Warschauer Erzbischof Kazimierz Nycz beschlossen, in die nahegelegene St.-Anna-Kirche umzieht.

Dort hätte der Holzriese eigentlich schon vor einer Woche hingebracht werden sollen. Doch die Nationalkatholiken stellten sich den Priestern in den Weg, die das Riesenkreuz in einer Prozession abtransportieren wollten. Seitdem spaltet es auch Polens katholische Kirche.

Pfadfinder hatten das Kreuz kurz nach dem Flugzeugabsturz errichtet, bei dem im April nahe Smolensk 96 Menschen ums Leben gekommen waren, darunter Polens konservativer Staatspräsident Lech Kaczynski. In den vergangenen Monaten hat sich der Platz vor dem Präsidentenpalast auch durch das Kreuz in eine Art Pilgerstätte verwandelt, an der Besucher Kerzen und Blumen niederlegen – und an dem im eigentlich sehr dezent geführten Präsidentschaftswahlkampf auch um Wählerstimmen für Lechs Zwillingsbruder Jaroslaw geworben wurde. Der zeigte sich am vergangenen Dienstag ebenfalls am Kreuz und warf der Regierungskoalition vor, seinen Bruder nicht angemessen ehren zu wollen.

Die Kreuzwächter locken seit Tagen tausende Gegendemonstranten an, die sich auch über das Internetportal Facebook organisiert haben. „In die Kirche, in die Kirche“, rufen diese, und fordern die strikte Trennung von Staat und Kirche. Die Mehrheit der Warschauer Kommentatoren kritisiert das teilweise aggressive Vorgehen der Kreuzretter. Dieses stärke die „antiklerikale Linke“. Politiker des oppositionellen demokratischen Linksbündnisses (SLD) hatten am Dienstag Unterschriften für die verfassungsmäßige Trennung von Staat und Kirche gesammelt.

Der Streit ums Kreuz zeigt aber auch, wie tief die Kluft zwischen der liberal-konservativen Regierungskoalition und den Nationalkonservativen noch immer ist. Und Oppositionsführer Jaroslaw Kaczinski könnte seine Wähler durch die Auseinandersetzung wieder stärker mobilisieren: Schließlich stehen im Herbst Kommunalwahlen an.

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