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Am Sonnabend demonstrierten Menschen gegen das russische Homophobie-Gesetz in Berlin.

© dpa

Homophobie-Gesetz in Russland: Demonstriert gegen Putin!

Seit Wochen werden nur antiamerikanische Texte geschrieben, findet unser Kolumnist Harald Martenstein. Zeit, auch mal etwas gegen Russland und Putin zu schreiben.

Ich weiß nicht, ob es richtig ist, in den syrischen Bürgerkrieg mit Luftangriffen einzugreifen. Und ich habe den Verdacht, dass Präsident Obama es auch nicht weiß. Er hat nun mal angekündigt, dass die USA den Einsatz von Giftgas gegen die syrische Bevölkerung nicht hinnehmen würden. Er hat also etwas getan, was Angela Merkel niemals passieren würde – er hat sich festgelegt. Wenn er sein Wort bricht, werden die USA in ähnlichen Fällen nicht mehr ernst genommen.

Nun könnte man fragen: Was geht es Obama überhaupt an, wenn in Syrien Kinder vergast werden? Lass die Syrer doch machen. Sollen sie sich gegenseitig massakrieren, bis keiner mehr übrig ist. Das ist eine in Deutschland weit verbreitete Position. Erstaunlicherweise halten viele diese Position für moralisch besonders wertvoll.

Die USA haben sich in der Syrien-Frage festgelegt, Deutschland hält sich fein heraus

Die deutsche Position hört sich ungefähr so an: Wenn eine syrische Familie in Damaskus von wem auch immer vergast wird, dann ist dies eine interne syrische Angelegenheit. Schön ist das natürlich nicht, aber man kann da höchstens ein paar mahnende Worte sprechen. Sollte es dieser Familie aber gelingen, ihrer Ermordung zu entgehen, zu flüchten und nach Hellersdorf zu gelangen, müssen wir sie selbstverständlich schützen. Dann sind das nämlich unsere Syrer, die wir gegen Neonazis und andere Wirrköpfe bis zum letzten Blutstropfen verteidigen – na ja, zum Glück wird dies nicht nötig sein, unsere Polizei schützt sie ebenfalls. Was Assad mit seinen Syrern tut, ist allerdings voll und ganz die Sache von Assad. Wenn die Syrer, von wem auch immer, nicht vergast werden wollen, dann sollen sie halt nach Hellersdorf kommen. Dort demonstrieren wir für sie.

Jemand muss auch mal etwas gegen Russland sagen

Ich lese seit Wochen antiamerikanische Texte, Amis horchen uns aus, Amis führen Krieg gegen Syrien. Um Langeweile zu vermeiden, sollte heute mal in Deutschland ein antirussischer Text erscheinen. Russland hätte das Massensterben in Syrien verhindern können, vermutlich, ohne eine einzige Patrone abzufeuern. Die „politische Lösung“ des Konflikts, nach der Deutschland ruft, wird von Russland und China blockiert, aus lupenrein imperialistischen Gründen. Ohne Russlands Hilfe wäre Assad, als es diese Option noch gab, also zu Beginn des Aufstandes, durch ein weniger brutales Regime ersetzt worden.

Putin sperrt seine Kritiker ein, Putin lässt zu, dass Journalisten ermordet werden, Putin unterdrückt Homosexuelle, Putin unterhält ein korruptes, ultrakapitalisches Regime, Putin ruiniert die Umwelt, Putin hat aus der Justiz einen schlechten Witz gemacht, Putin lässt große Teile seines Volkes verelenden. Und er hilft Assad. Deshalb war es eine prima Idee, dass am Sonnabend in Berlin zur Abwechslung mal gegen Putin demonstriert wurde statt gegen Obama.

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