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Homosexualität in der Öffentlichkeit: Das letzte Outing

Die Homosexuellen wollten in die Normalität? So viel kann man mit etwas Mitleid sagen: Sie sind da. Die Bigotterie vergangener Tage ist löblicherweise vorbei, doch hatte sie auch einen Vorzug.

Die großen Zeiten des Outings sind vorbei. Jemand anderen oder sich selbst coram publico als homosexuell zu schildern, hat viel von seinem Reiz verloren. Wenn jemand sich heute wieder hinstellt und sagt: „Ich bin schwul – und das ist auch gut so“, würde ihn die im Internetschaum geborene Generation Pornopirat zunächst fragen, ob das denn alles sei; und ihm dann erklären, was für tolle Sachen er verpasst, wenn er es dabei beließe. Die Homosexuellen wollten in die Normalität? So viel kann man mit etwas Mitleid sagen: Sie sind da.

Leider gilt das vornehmlich für den politisch-medialen Mittekonsens zwischen Merkelunion und Jauchtalkshow. Unterhalb davon hat sich „schwul“ bei Jugendlichen wieder als Schimpfwort etabliert, sind viele Konflikte im Alltag die alten geblieben. Da soll es das „Outing“ dann wieder bringen, wenn auch ohne Bühne. Dachte sich die Leiterin einer katholischen Kita, beantragte bei ihrem Arbeitgeber Elternzeit und erzählte von ihrer Lebenspartnerin.

Sehen Sie hier Bilder vom CSD in Berlin:

Die folgende Kündigung hat das Augsburger Verwaltungsgericht jetzt gestoppt. Tadellos habe die Frau 13 Jahre gearbeitet, und das Outing sei nur für die Chefs gewesen, nicht für das Publikum, hieß es. Das klingt nach liberalem Befreiungsschlag im konservativen Bayern.

Ein Irrtum. Denn konservativ im besten Sinne – in dem des Schutzes für Mutter und Kind – verbietet das Gesetz jeden Rausschmiss während der Elternzeit. Es sei denn, man betrügt oder stiehlt. Für derart verwerflich hatte die Pfarrkirchenstiftung den Sündenfall der Angestellten gehalten, dass sie ihn mit solchen Straftaten gleichgestellt sehen wollte. Das wiederum machte das Gewerbeaufsichtsamt nicht mit, das laut Gesetz dabei zustimmen muss. So kam es zur Klage der Katholiken gegen das Land Bayern.

Die Geschichte wird weitergehen. Endet die Elternzeit, endet der Schutz. Dann kommt es erneut zur Kollision zwischen weltlichem Recht und den Regeln kirchlicher Dienstgemeinschaft, diesmal vor dem Arbeitsgericht und mit schlechteren Chancen für die Frau.

Was sollte das Outing also bringen? Homosexualität ist für Katholiken ein Fundamentalverstoß. Eine betrübliche Sichtweise, aber die Kirche musste handeln, wollte sie sich nicht unglaubwürdig machen. Zudem hatte die Frau ihren Chefs erzählt, sie hätte sich an eine Lobbygruppe gewandt. Eine Drohung?

Die Bigotterie vergangener Tage ist löblicherweise vorbei, doch hatte sie auch einen Vorzug. Das formale Nichtwissen und Nichtssagen ermöglichte den Verteidigern der Norm, über Verstöße hinwegzusehen, statt sie abstrafen zu müssen. Auch auf diese Weise kann man Normen verändern oder schwächen, im Kleinen, durch die eigene Lebensweise, ohne Konfrontation. Wer sich nicht outet, muss sich noch lange nicht verstecken.

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