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Meinung: Hoppla, wer blockiert denn da

Opposition und Regierung werfen sich gegenseitig vor, zu behindern. Beide haben Recht

Von Robert Birnbaum

Sagt mal, Leute, jetzt aber mal ganz im Ernst: Haltet ihr uns eigentlich für ein bisschen blöd? Die Regierung, in Bedrängnis, hat einen neuen Schuldigen entdeckt für ihre Haushaltsnot. Der Bundesrat ist’s – also die Opposition, weil die dort die Mehrheit hat. Hans Eichel hat die Melodie angestimmt, Wolfgang Clement bläst ins gleiche Horn: Wir würden ja das Geld schon gut beisammenhalten, wenn nicht die Länderfürsten uns immer wieder dazwischenpfuschen würden. Wichtige Gesetze, finanzwirksame, blockiert oder bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt – klare Sache, die Opposition ist Schuld. Woraufhin die Opposition prompt zurückgibt: Alles Unsinn, die Regierung ist Schuld, die Regierung, die Regierung.

Und das sollen wir also alles glauben? Tun wir aber nicht. Bleiben wir erst einmal bei den Regierenden. Der Zeitpunkt für die Attacke ist ja clever gewählt. Der Augenschein gibt ihnen Recht. Der Bundesrat hat am Freitag vier Gesetzesvorhaben vorerst gestoppt: Das Rentensteuergesetz, das Ausführungsgesetz zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die Neufassung des Wettbewerbsrechts, die Neufassung der Windkraftförderung. Drei kleinere Reformen also und eine große – einstweilen ausgebremst.

Schaut man ins Kleingedruckte, wird die Sache weniger dramatisch, aber interessanter. In zwei Fällen – Rentensteuer und Wettbewerbsrecht – ist der Einspruch der Union von Lobby-Interessen angestiftet, denen der Versicherungswirtschaft und denen der Telefon-Direktvermarkter. Deren Sorgen mag man für legitim halten oder nicht. Die Blockade ist aber keine platt taktische. Beim Einspruch gegen das Hartz-IV-Gesetz sind die Motive schon eher politischer Natur. Aber im Zank darüber, ob die Gemeinden oder der Bund letztlich für die künftigen Bezieher des Arbeitslosengelds II zuständig sind, hat sich die Regierung auch nicht mit Ruhm bekleckert. Der Einspruch gegen die Windkraftförderung ist reine Parteipolitik, kann aber vom Bundestag mit Kanzlermehrheit überstimmt werden.

Bevor sich jetzt die Opposition allzu sehr freut: Völlig Unrecht haben Eichel und Clement nicht. Die gleiche Union, die der Abschaffung von Privilegien und Subventionen gern das Wort zum Sonntag widmet, will im Alltag davon nichts wissen. Eigenheimzulage weg? Niemals! Pendlerpauschale kürzen oder streichen? Skandal! Über Mehrwertsteueranhebung im Gegenzug zur Senkung von Sozialabgaben auch nur nachdenken? Zu den Waffen! Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass die Union diese heiligen Kühe so sorgsam hütet, um sie später selbst zu schlachten, etwa für die Merz’sche Steuerreform.

Dass die Länder diese Blockademacht haben, ist ein Ärgernis, mehr noch: Es ist in der Tat einer der Gründe dafür, dass eine Bundesregierung nur noch sehr eingeschränkt regiert. Es gibt ein viel zu wenig beachtetes Gremium mit dem unverständlichen Namen „Föderalismuskommission“, das versucht, diesen Missstand abzustellen. Man kann den Beteiligten nur Glück wünschen. Übrigens auch als Opposition: Wenn die demnächst regieren sollte, wird sie von der dann eigenen Bundesratsmehrheit noch viel mehr geknebelt werden als heute Rot-Grün. Die Regierung hat es also wirklich nicht immer leicht.

Das ist aber noch kein Grund, uns für dumm zu verkaufen. Die Verantwortung für den Bundeshaushalt hat der Bundesfinanzminister. Der war mal Ministerpräsident, kennt das Spiel und kann sich darauf einstellen. In einem Anfall von Bösartigkeit könnte man sogar sagen, dass er selbst schuld ist – wäre die Regierung besser, wäre die Unionsmehrheit in den Ländern mindestens kleiner. Ein Blockade-Freifahrschein für die Opposition ist das nicht. Aber so schrecklich viel blockiert die gar nicht. Das besorgt die Regierung schon noch vorwiegend selbst.

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