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Das Hausverbot gegen Ex-NPD-Chef Udo Voigt ist rechtens, doch ist es auch richtig?

© dapd

Hotel-Rausschmiss von Ex-NPD-Chef: Menschenrechte gelten für alle, auch für Neonazis

Im Umgang mit Extremisten haben sich die Deutschen auf eine Strategie der Konfliktvermeidung verlegt, die einer Demokratie unwürdig ist. Das Urteil zum Hausverbot des Rechtsextremen Udo Voigt ist ein Beispiel dafür.

Von Frank Jansen

Im Urlaub darf nichts stören. Kein Streik, kein Lärm – und bitte auch keine Extremisten am Nebentisch. Die Vorstellung, in einem idyllischen Hotel säßen vis-à-vis Glatzköpfe mit White-Power-Tattoos im Restaurant und machten sich im Whirlpool breit, ist zumindest ungemütlich. Auch einem aus Funk und Fernsehen bekannten Funktionär einer rechtsextremen Partei würden die allermeisten Touristen lieber aus dem Weg gehen, so wie im Alltag. Selbst wenn der Mann äußerlich seriös erscheint wie der Ex-Chef der NPD, Udo Voigt. Dass ihm Anzug und Krawatte wenig nutzen, wenn ein Hotel seinen Gästen den Anblick eines notorischen Rechtsextremisten ersparen möchte, hat nun der Bundesgerichtshof abgesegnet, wenn auch mit der Einschränkung, ein Vertragsbruch sei nicht zu rechtfertigen. Also gilt jetzt bundesweit „Kein Urlaub für Faschisten“?

Heinz Baumeister, Direktor des Hotel "Esplanade" im brandenburgischen Bad Saarow wurde vom Bundesgerichtshof bestärkt: Der Rausschmiss von Ex-NPD-Chef Udo Voigt war korrekt.
Heinz Baumeister, Direktor des Hotel "Esplanade" im brandenburgischen Bad Saarow wurde vom Bundesgerichtshof bestärkt: Der Rausschmiss von Ex-NPD-Chef Udo Voigt war korrekt.

© dpa

Das Urteil aus Karlsruhe wird viele erleichtern, die Neonazis als Landplage empfinden, erst recht seitdem die Verbrechen der Thüringer Terrorzelle bekannt geworden sind. Die Zivilgesellschaft, so scheint es, hat im Abwehrkampf gegen die braune Zumutung höchstrichterlichen Beistand erhalten. Die Konsensformel lautet: Wer Diskriminierung predigt, ist selbst schuld, wenn er dann auch Diskriminierung erfährt. Nazi-Problem gelöst, zumindest im Urlaub?

Ein wenig Unbehagen verursacht das Urteil schon. Diskriminierung ist prinzipiell undemokratisch, egal, wen sie trifft. Auch wenn der Funktionär einer rassistischen Partei moralisch deutlich weniger legitimiert zu sein scheint, sich zu beklagen, als der Afrikaner, dem aus purem Rassismus der Eintritt in eine Diskothek verwehrt wird. Aber Menschenrechte gelten für alle, eben auch für Neonazis. Es ist nicht auszuschließen, dass in der Causa Voigt das Bundesverfassungsgericht oder danach der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Bundesrepublik daran erinnert.

Dann wären vermutlich auch kritische Anmerkungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) fällig. Es definiert zahlreiche Diskriminierungsverbote, doch eines fehlt. Wer wegen einer extremen politischen Überzeugung ausgegrenzt wird, kann sich nicht mit Verweis auf das AGG zur Wehr setzen. Ein Neonazi – sowie ein Autonomer oder ein Islamist – bleibt nach dem Willen des Gesetzgebers vom Schutz durch dieses Gesetz ausgeschlossen. So soll verhindert werden, dass Extremisten sich als Opfer inszenieren, wenn sie sich von Demokraten schlecht behandelt fühlen. Das ist nachvollziehbar, erst recht vor dem Hintergrund der dunklen Kapitel deutscher Geschichte. Aber es ist auch ein bisschen feige.

Die Angst, Extremisten könnten das Diskriminierungsverbot ausnutzen, wirkt übertrieben und ist einer gefestigten Demokratie nicht würdig. Außerdem bleibt fraglich, wer alles als Extremist zu gelten hat. Bei NPD-Mitgliedern ist die Sache einfach, aber was ist mit radikal formulierenden Mitgliedern der Linkspartei? Und es ist nicht einmal sicher, dass im Fall Voigt ein ungeteiltes Diskriminierungsverbot das Hausrecht des Hotels, das hohe Gut der grundgesetzlich geschützten „Privatautonomie“, überlagert hätte. Die Bundesrepublik kann sich durchaus einen souveränen Umgang mit den extremistischen Feinden ihrer Demokratie leisten. Und ein Hotel ist nicht ruiniert, wenn Udo Voigt dort übernachtet. Niemand würde dem „Esplanade“ unterstellen, es werbe um rechtsextreme Gäste. Kommt doch einer, gilt auch für ihn: Wer pöbelt, fliegt raus.

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