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Hungerkrise Westafrika: Katastrophe mit Ankündigung

Nur eine konsequente Bekämpfung der Wüstenbildung wird Niger helfen

Die Kinder in Niger müssten nicht am Hunger sterben. Auch wenn es das zweitärmste Land der Welt ist, das noch dazu nur mäßig professionell regiert wird. Auch wenn die Weltgemeinschaft ihre Ohren und Taschen zugehalten hat, als die UN die ersten Alarmrufe in die Hauptstädte geschickt haben. Die Welt hätte viel früher die Chance gehabt, die Kinder in Niger zu retten. Die Hungerkrise in Niger und den benachbarten Staaten ist nicht nur ein Ergebnis der Heuschreckenplage im vergangenen Herbst. Hunger ist hier ein Dauerproblem, selbst in den Jahren, in denen es regnet.

Der Hunger hat viele Gründe. Niger hatte nie genug fruchtbares Land, um seine Bevölkerung selbst zu ernähren. Und es verliert jeden Tag ein Stück dieser Ressource, von der 80 Prozent der Einwohner abhängig sind. Die Sahara bedeckt einen großen Teil des Landes. Die Bevölkerung wächst jedes Jahr um rund drei Prozent, knapp die Hälfte der Einwohner ist unter 15 Jahre alt. 60 Prozent der Bevölkerung sind so arm, dass sie von weniger als einem Dollar am Tag leben müssen. Kein Wunder, dass das ohnehin trockene Land ständig übernutzt wird. Es werden zu viele Ackerfrüchte angebaut, und um neues Land zu gewinnen, werden auch noch die letzten Bäume und Sträucher abgeholzt. Die Viehherden sind viel zu groß für die Flächen, auf denen sie etwas zum Grasen finden. Das Ergebnis: Aus dem trockenen Land wird Wüste. Denn der Wind und der spärliche Regen tragen die Reste des fruchtbaren Bodens ab. Je weniger irgendwo wächst, desto seltener regnet es, desto weniger wächst, desto hungriger sind die Menschen.

Niger kann sich nur helfen, wenn es konsequent die Wüstenbildung bekämpft. Die Geberstaaten, die eine Hilfsmaschine in Gang setzen, hätten ihr Geld effizienter ausgegeben, wenn sie es früher gegen die Wüstenbildung eingesetzt hätten. Bauern müssten ausgebildet werden, eine angepasste Landwirtschaft zu betreiben, Wasser sparsam einzusetzen und Bäume zu pflanzen. Zudem müssten sie unterstützt werden, den Mangel besser zu verwalten, damit sie nicht notgedrungen ihr Saatgut essen und die Krise so verschlimmern.

Die UN-Wüstenkonvention ist schon 1992 in Rio verabschiedet worden, seit 1996 ist sie in Kraft. Doch seither hat sie so gut wie nichts erreicht, weil kein Geld aufzutreiben ist. Die Bekämpfung der Wüstenbildung ist nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, um den Menschen in Niger ihr Überleben zu sichern. Damit sie nicht weiterhin ihre eigene wirtschaftliche Basis zerstören, müssen sie ihrer verzweifelten Armut entkommen. Niger muss die Mittel, die durch den Anfang Juli beschlossenen Schuldenerlass frei werden, in die Bekämpfung der Armut, in die Ausbildung der Menschen stecken. Drei Viertel der Bevölkerung können nicht lesen und schreiben. Wer das nicht kann, tut sich auch schwer damit, zu lernen – auch, seine eigenen Lebensgrundlagen nicht zu zerstören.

Das Frustrierende am Fall Niger ist: Die Weltgemeinschaft hat frühzeitig erkannt, wie sich das Land selbst helfen könnte. Auch das Frühwarnsystem, das rechtzeitig auf die Hungerkatastrophe aufmerksam machen sollte, hat funktioniert. Nur die Weltgemeinschaft hat nicht funktioniert. Sie hat weder Mittel zur Bekämpfung der Wüstenbildung noch rechtzeitig Nothilfe zur Verfügung gestellt. Deshalb ist es vermutlich nicht das letzte Mal, dass aus Niger Bilder von erschöpften, abgemagerten Kindern zu uns kommen.

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