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Meinung: Husarenstück

„Familien-Hilfe! „ vom 20.

„Familien-Hilfe! „ vom 20. August

1. Die Autorin schreibt im Wesentlichen über sich selbst und ihre eigenen Eindrücke über ihre drei Einsätze als Familienhelferin für einen freien Träger, mit dem es dann zu Meinungsverschiedenheiten kam und man sich trennte. Laut Professor Hinte in demselben Artikel gibt es 785 freie Träger in Berlin und laut Senatsstatistik 4 301 Familienhilfen (Stichtag 31.12.2010).

Das heißt, eine Aussage über das Hilfesystem in Berlin, die Qualität und Wirksamkeit der Hilfen, die freien Träger und über die Mitarbeiter/innen und Leitungen der Berliner Jugendämter lässt sich damit von vornherein nicht valide treffen.

2. Die Grafik zu den Ausgaben in der Kinder- und Jugendhilfe bezieht sich auf die Bundesrepublik Deutschland, die Entwicklung in Berlin sieht laut Amtlicher Statistik jedoch ganz anders aus:

2002 451.5 Mio

2006 318.8 Mio

2010 408.5 Mio

Die Grafik passt also gar nicht zum Artikel, was ein deutliches Indiz dafür ist, dass hier keine sachliche Auseinandersetzung stattfindet.

3. Die Autorin verortet die Ursache für die Ausgabenentwicklung sodann in der Selbstbedienungsmentalität der freien Träger beziehungsweise dem fehlenden fachlichen Anspruch des Jugendamtes.

Das ist allerdings schon deshalb ein Husarenstück, weil die Berliner Entwicklung gerade keinen linearen Anstieg erkennen lässt! Zudem kann diese Erklärung nicht für den bundesweit zunehmenden Hilfebedarf von Familien gelten, da die Jugendhilfe dort zum Teil anders als in Berlin organisiert ist. Die ebenso grundlegende wie spannende Forschung nach den Ursachen verfehlt sie somit völlig.

4. Einer weiteren entscheidenden, strukturellen Frage geht sie erst gar nicht nach: Nämlich der nach den Auswirkungen betriebswirtschaftlicher Logiken auf die öffentliche Daseinsvorsorge mit ihren besonderen Auswüchsen in Berlin – als da sind eine Kosten- und Leistungsrechnung auf der Grundlage eines sogenannten Produktkataloges und daraus abgeleitet ein Budget mit willkürlich gesetzten Abschlägen. Dieses Primat ist aber nach meiner Beobachtung für das Berliner politische Handeln seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten leitend und hat Folgen, die man nicht mal eben mit mangelndem Engagement leitender Mitarbeiter/innen erklären kann (wobei gerade die namentlich genannte Direktorin in Fachkreisen bundesweit höchstes Ansehen genießt!).

Dr. Jürgen Borchert, Sozialrichter, Darmstadt

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