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Der Große Bruder tut sich mit der Datenkrake zusammen: Die Polizei will vermehrt Informationen aus Sozialen Netzwerken für Ermittlungen nutzen.

© dpa

I like Staat: Lasst die Finger von der Facebook-Fahndung!

Die Polizei will jetzt auch via Facebook fahnden. Keine Gute Idee. Der Staat sollte sich nicht mit einem der weltweit größten privaten Datensammler verschalten

Es ist ein Jammer, die Jugend lässt unsere Medien liegen. Greift nicht mehr zum Tagesspiegel, verschmäht die Tagesschau. So etwa hörte es sich an, als Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn von der FDP bei der Herbstkonferenz mit seinen Länderkollegen in Berlin für die Polizeifahndung via Facebook warb. Das Informationsverhalten ändere sich, und so müsste man auf diese Weise die Jungen kriegen, um die Bösen zu fangen. Nun stecken die Fachleute der Ministerien ihre Köpfe zusammen – und es wäre am besten, wenn einfach mal nichts dabei herauskäme.

Tatort Internet? Oh ja, das Netz ist, wie viele nicht virtuelle Milieus auch, ein Tummelplatz für Kriminelle. Längst legen sich hier Polizisten auf die Lauer, bis hinein in soziale Netzwerke, soweit sie für alle zugänglich sind. Drogen, Betrug, Geldwäsche, viele Spielarten der Illegalität haben hier ihren Platz, nur andere totschlagen, das kann man per Datenleitung noch nicht.

Eine grundsätzliche Frage ist, ob der Staat sich den Internetmilieus anvertrauen sollte. Das würde bei der Facebook-Fahndung geschehen. Der Staat würde sich mit einem der weltweit größten privaten Datensammler verschalten, um einiger Individuen habhaft zu werden, von denen teilweise nicht einmal sicher ist, dass sie etwas verbrochen haben. Der Große Bruder paktiert mit der Krake. Der Staat oder Facebook für sich genommen sind manchmal schon zu viel.

Es mag Argumente dafür geben und auch Erfolge. Vielleicht ist es möglich, sensible Daten von Facebook-Servern freizuhalten und gleichzeitig im Netzwerk zu fahnden. Aber lohnt es sich, dass der Staat dafür eines seiner wichtigen Symbole zu Bits und Bytes zerlegt? Wenn es eine hoheitliche Aufgabe gibt, dann ist es Strafverfolgung und Strafvollzug. Im Umgang mit Tätern und Verdächtigen erweist sich, was eine Verfassung wert ist und wie ernst die Staatsgewalt sie nimmt. Die Strafjustiz ist das Gütemaß der Rechtsstaatlichkeit.

Die Angst, als unmodern zu gelten, lässt auch liberale Justizpolitiker von solchen Prinzipien Abschied nehmen. Dabei haben sie ihren guten Zweck. Schon jetzt hat sich in Bezug auf Straftäter und solche, die verdächtigt werden, im Netz eine beunruhigende Kultur entwickelt. „Lass uns das Schwein tothauen“, forderte ein User im Mordfall Lena in Aurich die Facebook-Gemeinde auf. Allerdings war „das Schwein“ unschuldig. Vom Flash- zum Lynchmob kann der Weg kurz sein. Im Fall des „U-Bahn-Schlägers“ in Berlin zeigte sich, wie öffentliche Fahndungen zu Youtube & Co. hinüberfließen können. Anstatt solche Kräfte zu verstärken, wäre es besser, sie zu bändigen. Eine Polizei, die sich auf Facebook keine Freunde macht, wäre dafür ein wichtiger Schritt. Wenn sie unbedingt ein soziales Netzwerk für die Verbrechersuche braucht, soll sie sich selbst eins schaffen.

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