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Meinung: „Ich begebe mich gerne aufs Glatteis“

Klar, so stellt man sich einen Moralisten vor: schwarze Kleidung, weißgraues Haar, Bart – und bloß keine gute Laune. Als Michael Haneke im Dezember in Berlin gleich drei Europäische Filmpreise für sein jüngstes Werk „Caché“ erhielt, hellte sich seine Stimmung bis zum Ende nicht auf.

Klar, so stellt man sich einen Moralisten vor: schwarze Kleidung, weißgraues Haar, Bart – und bloß keine gute Laune. Als Michael Haneke im Dezember in Berlin gleich drei Europäische Filmpreise für sein jüngstes Werk „Caché“ erhielt, hellte sich seine Stimmung bis zum Ende nicht auf. Lustlos nahm er die Trophäen in Empfang, um ein Haar vergaß er sogar, die Statuette für die TopAuszeichnung als bester Film mitzunehmen. Der Ärger darüber, dass es in Cannes mit der Goldenen Palme nicht geklappt hatte, war ihm noch immer anzumerken.

Wer jedoch mit dem 63-jährigen Österreicher spricht, der mit Filmen wie „Bennys Video“, „Funny Games“ oder „Die Klavierspielerin“ zu den bedeutendsten Autoren-Regisseuren Europas gehört, erlebt einen anderen, freundlichen Künstler. Einen, für den „Moralist“ kein Schimpfwort ist, weil er das Publikum eben nicht für verblödet hält. Höchstens für abgebrüht, was die Gewalt der Bilder betrifft. Deshalb mutet er ihm das Denken zu.

Schuld und Verdrängung, die unheimlichen Seiten der bürgerlichen Gesellschaft: In „Caché“ mit Juliette Binoche und Daniel Auteuil, der am Donnerstag startet, geht es um Frankreichs Algerien-Trauma. Wieder erzählt Haneke von Entfremdung, vom Horror im Zentrum der Zivilisation – eine Herzensangelegenheit all seiner Filme, ob sie nun von Selbstmördern oder Amokläufern handeln, von sexueller Gewalt, der Verrohung durch die Medien, der „Vergletscherung“ der Gefühle oder der Ausweitung der alltäglichen Kampfzonen. In letzter Zeit nimmt er dabei gerne die Liberalen und Intellektuellen ins Visier, zu denen sich der studierte Philosoph mit entwaffnender Ehrlichkeit selbst auch zählt.

Hanekes Filme sind streng, eiskühl – und in jedem gibt es mindestens eine derart schockierende Szene, dass man am liebsten den Saal verlassen möchte. Als Kind sah er einmal, wie ein Huhn geköpft wurde und das Tier ohne Kopf weiter herumsprang. Er versuche, sagt der bekennende Adorno-Fan gerne, den Schrecknissen etwas von ihrer Realität wiederzugeben. Am Ende erschrickt man in Haneke-Filmen meist über sich selbst.

Am Freitag feiert in Paris seine erste Opern-Inszenierung Premiere: „Don Giovanni“, pünktlich zum 250. Mozart-Geburtstag. Da geht es ja auch um die Hölle, die unter den irdischen Lüsten lauert. Und da wird der Kulturkritiker und Beinahe-Pianist Haneke fast schon romantisch: Musik ist für ihn ein Angebot zur Entbarbarisierung.

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