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Meinung: „Ich bin kein guter Politiker“

Er lässt sich das Lächeln nicht verbieten. Das war schon in seiner Zeit als Präsident so, wenn ihn die Hardliner wieder mal abservierten.

Er lässt sich das Lächeln nicht verbieten. Das war schon in seiner Zeit als Präsident so, wenn ihn die Hardliner wieder mal abservierten. Seine Rolle als machtloses, aber charmantes Aushängeschild Irans hat ihm damals den Spitznamen „Lady Di“ eingebracht. Am Donnerstagabend lächelte und redete Mohammed Chatami nun vor dem Wissenschaftskolleg in Berlin – und schien selbstironisch mit sich im Reinen zu sein: „Es ist ziemlich deutlich geworden, dass ich ein schlechter Politiker bin.“

Religion und Säkularisierung ist das heikle Thema. Und dabei erweist sich Chatami, der von 1978 bis 1980 das Islamische Zentrum in Hamburg leitete, als Kenner der abendländischen Geistesgeschichte. Er zitiert Popper und Kant, argumentiert mit Spengler, Dilthey und Toynbee. Auch wenn der 63-Jährige etwas zu wolkig bleibt, so kristallisiert sich doch seine Theorie der Säkularisierung heraus. In den letzten 300 Jahren ist die maßgebliche Quelle westlicher Identität der Nationalstaat gewesen und danach erst die Religion, sagt Chatami. Aber anders als die Religion, die es in allen Zivilisationen gäbe, sei die Säkularisierung kein natürlicher, sondern ein von Menschen geschaffener Zustand und abhängig von den historischen Bedingungen des christlichen Westens. Deshalb sei es ein offensichtlicher Fehler, die Säkularisierung einfach auf andere Zivilisationen zu übertragen, wo die sozialen und kulturellen Vorbedingungen nicht vorhanden seien.

Ein Israeli im Publikum will wissen, was er denn von islamischen Begründungen für Selbstmordattentate halte. „Terrorismus ist das hässlichste Phänomen der Geschichte“, antwortet Chatami und wendet sich gegen den alleinigen Wahrheitsanspruch von Extremisten. Gleichzeitig plädiert er dafür, die Ursachen dieser Gewalt – „Besetzung“ und die „Logik des Krieges“– zu beenden.

Chatami hält an einem wahren Kern von Religion fest, wendet sich aber dagegen, zeitbedingte Interpretationen als „heilig“ anzusehen. Genauso wenig entspringe politische Macht einer göttlichen Quelle. Die Demokratie werde am Ende siegen, meint Chatami. Die Religion könne nur überleben, wenn sie deren Prinzipien gehorche. Die entscheidende Frage für die muslimische Zivilisation sei, ob es gelänge, zu einer Interpretation von Religion zu finden, die Respekt vor Menschenrechten, Freiheit, Demokratie und Gleichheit der Geschlechter einschließe – ohne die negativen Seiten der Moderne zu übernehmen.

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