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Meinung: „Ich bin nicht Gott“

Er ist nett. Er ist sogar charmant.

Er ist nett. Er ist sogar charmant. Wenn der 66 Jahre alte Giovanni Trapattoni im Studio des Südwestrundfunks beim „Sport im Dritten“ sitzt und die Moderatorin bei deren Vornamen „Ursula“ nennt, schmilzt die Dame regelmäßig dahin. Der Mann aus Mailand, das findet auch die werbende Wirtschaft, hat das gewisse Etwas. „Iss wichtig, spiele mit Biss“, sagt er von Werbeplakaten für Maultaschen herunter. 500 000 Euro bekommt er dafür. Vorher war ein Joghurt sein Ein und Alles.

Seit seiner Wutrede als Trainer bei Bayern München („Ich habe fertig“) ist er in Deutschland beliebter als daheim in Italien. Und er besitzt den Status eines Fachmannes im Fußball, schließlich hat er 19 Titel gewonnen. Ein Anhänger virtuosen Angriffsfußballs aber war Trapattoni, den viele seit den Tagen in München respektvoll „Mister“ nennen, nie. Das hatten die Funktionäre des VfB Stuttgart wohl vergessen, als sie ihn im Sommer 2005 überraschend präsentierten. Der neue Trainer taugte als Beweis für die Weltoffenheit des schwäbischen Klubs. Wie einen Messias empfingen ihn die Schwaben.

Doch der Neue änderte vieles. Weg vom Emotionsfußball, den man von Felix Magath so liebte, hin zu nüchternem Kalkül. Das ist Trapattonis Fußball. Er war es immer. Sein Training ist anders. Minutenlang tanzt er oft wie ein Pantomime zwischen erstarrt scheinenden Profis umher. Er erklärt und redet dabei wie ein Wasserfall. Nur versteht ihn kaum jemand. Auch in seinem Heimatland Italien gilt er als Schöpfer neuer Ausdrücke, die bisher nicht in Gebrauch waren.

Um Missverständnisse zu vermeiden, hat er in Stuttgart nun einen Dolmetscher, den er nach Herzenslust unterbricht. Seit neuestem wirbt sogar ein Unternehmen für Fremdsprachen-Wörterbücher mit Trapattoni. Ein dickes Exemplar steht bei allen Pressekonferenzen auf dem Tisch. Es dauerte in Stuttgart, bis sich jemand traute, Kritik an seiner Arbeit zu äußern – erst die Zeitungen, dann die Vereinsführung und schließlich einzelne Spieler.

Die Verzweiflung wuchs, und irgendwann fand sogar eine Taktikschulung für Journalisten statt, die mehr oder weniger im Chaos endete. Jeder andere Trainer wäre wohl längst entlassen worden, als es schlecht lief. Die Mannschaft stolperte von Unentschieden zu Unentschieden und konnte dabei nur selten überzeugen. Jetzt indes herrscht nach ein paar Erfolgen Ruhe. Und Trapattoni wirkt weiter wie ein Großvater. Er erzählt von vergangenen Zeiten bei Juventus Turin und dem AC Mailand und großen Spielern, die er einst betreute. „Ich bin nicht Gott“, sagt er, „aber ich sehe, dass junge Menschen immer noch meinen Rat brauchen können.“

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