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Meinung: „Ich denke, bevor ich rede“

Er liefert keine jener Antworten, die Leute in seiner Position üblicherweise wie auf Knopfdruck herausschleudern. „Ich denke, bevor ich rede“, ist ein typischer Satz des Essener Oberbürgermeisters.

Er liefert keine jener Antworten, die Leute in seiner Position üblicherweise wie auf Knopfdruck herausschleudern. „Ich denke, bevor ich rede“, ist ein typischer Satz des Essener Oberbürgermeisters. Selbst im eigenen Lager stöhnen sie gelegentlich über die zurückhaltende Art des christdemokratischen Oberbürgermeisters. Spricht ein Parteifreund das laut an, erinnert Reiniger ihn an die Zeit vor 1999 – bis dahin hatte die SPD satte 43 Jahre alleine in Essen regiert.

Der Jurist Reiniger hat es schon zweimal geschafft: 1999 fegte er den viel bekannteren SPD-Gegenkandidaten schon beim ersten Urnengang weg und 2004 deklassierte er den neuen sozialdemokratischen Herausforderer in der Stichwahl. Mit seiner ruhigen Art hat er die durch die lange SPD-Vorherrschaft geprägte Verwaltung auf seine Seite gezogen und den Bürgern das Gefühl vermittelt, sie in schwierige Entscheidungen einzubinden. Und schwierige Entscheidungen gab es viele: Essen verliert weiter an Einwohnern, die zahlreichen großen Konzerne glänzen zwar mit ihren Bilanzen, aber Steuern zahlen sie vorzugsweise im Ausland. „Wir haben ein strukturelles Haushaltsdefizit von 300 Millionen Euro pro Jahr“, analysiert Reiniger, der aber auch hinzufügt, „doch kaputtsparen werden wir Essen nicht“. Auf der einen Seite plädiert er für schmerzhafte Einschnitte, aber für Schulen und die Ordnung in der Stadt gibt er auch künftig Geld aus.

Die erfolgreiche Bewerbung um die Kulturhauptstadt hat er seinen sozialdemokratischen Kulturdezernenten Oliver Scheytt steuern lassen, der durfte in Brüssel vor den Fernsehkameras jubeln, während Reiniger im Essener Rathaus auf das Ergebnis wartete. Reinigers Kommentar zum Sieg der alten Bergbau- und Stahlstadt enthielt ebenfalls Töne, wie man sie bei einem Politiker selten hört: „Wir dürfen jetzt nicht abheben und müssen die Region miteinbeziehen.“

Während anderswo große Überschriften bei einer schwarz-grünen Zusammenarbeit produziert würden, regiert Reiniger die Großstadt im Zentrum des Ruhrreviers ohne Aufsehen gemeinsam mit den Grünen. „Von Koalition würde ich allerdings nicht sprechen“, lautet wieder so eine typische Reiniger-Antwort, „eher von Kooperation“. Man hat sich auf gemeinsame Ziele verständigt, weiß allerdings auch, dass die Sache beendet wird, wenn die umstrittene Autobahn 52 endlich ausgebaut wird – was allerdings aus Geldmangel zurzeit nicht ansteht.

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