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Meinung: „Ich denke nicht über …

… meine Gegner nach. Das blockiert nur.

… meine Gegner nach. Das blockiert nur.“

Wenn in wenigen Tagen die Regentschaft Lance Armstrongs endet, befürchten viele, dann wird im Profiradsport Anarchie ausbrechen. Der König tritt ab, ein neuer muss sich erst behaupten. So nervtötend Armstrongs Dominanz war, so sehr hat man sich dennoch daran gewöhnt, dass der Amerikaner die Verantwortung übernimmt.

Anwärter auf die Nachfolge des Texaners gibt es einige, die drei Kapitäne von T-Mobile etwa, der junge Gipfelstürmer Alejandro Valverde oder Armstrongs früherer Helfer Floyd Landis. Am konstantesten hat sich für diese Rolle jedoch nur einer empfohlen: Ivan Basso. Bei der Tour war der Italiener in diesem Jahr der Einzige, der im Gebirge mit Armstrong mithalten konnte. 2004 verlor er den zweiten Platz an Andreas Klöden, weil er im Zeitfahren zu schwach war. Dieses Jahr verblüffte der 27-Jährige die Fachwelt, als er beim Giro d’Italia überlegen das große Zeitfahren gewann. Basso hat durch intensives Spezialtraining im Winter seine Schwäche ausgebügelt und wird vermutlich deshalb am Sonntag in Paris klarer Zweiter.

Der mutmaßlich neue Patron der Tour ist so etwas wie ein Anti-Armstrong. Er strahlt eine tiefe innere Ruhe aus, ist bescheiden und zurückhaltend und schöpft seine Motivation nicht daraus, andere zu vernichten, sondern aus dem eigenen Willen zum Erfolg. „Ich denke nicht über meine Gegner nach“, sagt er, „das blockiert nur. Ich muss nur ich sein. Darauf konzentriere ich mich.“

Basso gehört zu jener raren Spezies des mündigen Athleten, der sich seine eigenen Ziele steckt und sie verfolgt. Diese Qualität ist es, die ihn für die Nachfolge von Armstrong qualifiziert. In einer strikten Hierarchie einer traditionellen Mannschaft hätte er sich nicht zurechtgefunden. In der Mannschaft des Dänen Bjarne Riis hingegen blüht er auf. Deshalb lehnte er auch dankend ab, als Armstrong ihn nach der vergangenen Tour vom Markt kaufen wollte, um ihn als Helfer anzuwerben. Zu dem Amerikaner hat Basso ein respektvolles, aber kein unterwürfiges Verhältnis. Dass Armstrong im vergangenen Jahr von einer großen Freundschaft zwischen sich und Basso sprach, empfand der Italiener eher als unangenehm. „Mir gefallen die bescheidenen Rennfahrer, nicht diejenigen, die sich in den Vordergrund spielen.“ Genau so einer ist Basso, im Gegensatz zu Armstrong. Der hat sich die Radsportwelt unterworfen. Sollte 2006 die Ära Basso anbrechen, werden sie ihren neuen König lieben.

Sebastian Moll

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