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Unser Kolumnist Matthias Kalle.

© Privat

Ich habe verstanden: Das Leben kann so einfach sein

Es gibt Meldungen, dank denen das Leben plötzlich nicht mehr kompliziert, sondern einfach erscheint. Matthias Kalle spendet in seiner Kolumne allen jenen Trost, die auch an Heiligabend noch kein Weihnachtsgeschenk für ihre Liebsten gefunden haben.

Im weitesten Sinne geht es in dieser Kolumne um Geschenke und um das Schenken, aber wenn Sie jetzt, liebe Leserin, lieber Leser, hoffen, Sie erhalten noch wertvolle Tipps für die Bescherung, dann können Sie nicht ganz bei Trost sein: "Wer jetzt keine Weihnachtsgeschenke hat, kauft sich keine mehr", mahnte bereits Rainer Maria Rilke an, jedenfalls so ähnlich.

Rilke übrigens hatte eine Kindheit zum Davonlaufen. Am 4. Dezember wäre der Mann 135 Jahre alt geworden, seine ersten Jahre allerdings waren schwierig. Vater Rilke arbeitete bei der Bahn, weil er es als Soldat nicht weit brachte, Mutter Rilke träumte stets vom Reichtum, den sie nicht bekam. Ein anderer Verlust wog schwerer: Die Rilkes bekamen 1974 eine Tochter, sie starb nach einer Woche, die Mutter hat das nie verkraftet und sah in dem Sohn, der ein Jahr später geboren wurde, den Tochterersatz: Der junge Rilke trug Kleider und die Haare lang aber mit zehn Jahren musste er in eine Militärschule gehen. Man kann es als Kind einfacher haben.

Vielleicht musste Rainer Maria Rilke damals mit Puppen spielen, damit sich der Wunsch der Mutter eines tochtergleichen Kindes erfüllt. Keine gute Idee, wahrscheinlich sogar wider der Natur, denn diese Woche las ich darüber, das Schimpansen, ähnlich wie Menschen, geschlechtstypisches Spielverhalten zeigen. Die amerikanische Biologin Sonya Kahlenberg beobachtete eine neunjährige Schimpansin, die mit einem Stück Holz spielt, als sei es eine Puppe – Kahlenberg kam zu folgendem Schluss, nach 14 Jahren Forschung: Freilebende Schimpansen spielen je nach Geschlecht auf unterschiedliche Weise mit Stöcken. Junge Weibchen behandeln Holzstücke eher wie Neugeborene; Junge Männchen hingegen verwendeten Stöcke eher für kämpferische Spiele. Kahlenberg kam zu dem Ergebnis: "Das ist bei einer Tierart in freier Wildbahn der erste Beleg dafür, dass Männchen und Weibchen auf unterschiedliche Weise mit Objekten spielen."

Was sich jetzt ein wenig – nun ja – unspektakulär liest, ist für Primatenforscher eine Sensation, denn so etwas war bisher nicht bekannt. Tatsächlich bedeutet es, dass Verhalten vom Geschlecht abhängig ist. Vermutungen, Hinweise, Studien dazu gab es schon früher, vor allem gab es auch heftige Kritik gegenüber diesen Studien, schließlich, so die Kritiker, sei unterschiedliches Verhalten Erziehungssache und nicht biologisch bedingt. Eltern hätten nun einmal genaue Vorstellungen davon, wie Mädchen zu sein haben und wie Jungs zu sein haben. Außerdem würden die Töchter sich das Verhalten ihrer Mütter anschauen, die Jungs das Verhalten ihrer Väter – alles ist Sozialisation, Imitation. Der Rest ist Geschlechterkampf.

Sonya Kahlenberg fand in den Jahren ihrer Forschung jedoch keinen Hinweis, dass Jungtiere ihren liebevollen oder kämpferischen Umgang mit Stöcken von älteren Affen abgeguckt hätten. Sie sahen auch keinen älteren Schimpansen mit Stöcken spielen. Sie sahen nie eine Schimpansen-Mutter einen Stock tragen.

Es sind diese Meldungen, dank denen das Leben plötzlich nicht mehr kompliziert, sondern einfach erscheint. Falls Sie also tatsächlich in diesem Moment noch kein Geschenk für ihr Kind haben, egal ob es ein Mädchen oder ein Junge ist, dann versuchen Sie es doch einfach mit einem Stock.

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