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Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust hat seinen Rücktritt zum 25. August angekündigt.

© dpa

"Ich habe verstanden": Plötzlich suchen alle das Weite

Ein Rücktritt nach dem anderen. Es wird Zeit, auch über den eigenen Rücktritt nachzudenken. Aber nicht jeder kann es sich so einfach machen. Manche Dinge muss man auch einfach ertragen.

Anfang dieser Woche war ich in so einer Stimmung. Ich dachte, ich könne doch einfach mal von dieser Kolumne hier zurücktreten. Bräuchte ich nur eine Mail schreiben an die Herren Casdorff, Maroldt und Hesselmann. Dass ich das einfach nicht mehr wollen würde, all die Jahre, die Freitage des Schreibens, die Enttäuschungen, wenn das dann wieder keiner liest oder kommentiert. Dass ich mich in Zukunft eher auf das Private konzentrieren wolle, dafür hätten die doch bestimmt Verständnis. Es gebe in meinem Leben einfach mehr als Kolumnismus.

Ich kam in diese Rücktrittsstimmung, weil auch ich mich von Rücktritten umzingelt sah: jeder trat zurück - warum also nicht auch ich? Horst Köhler, Roland Koch, Margot Käßmann, Ole von Beust - sogar der DFB-Präsident Theo Zwanziger sagte in einem Interview, er könne sich auch seinen Rücktritt vorstellen, aber um Himmels Willen, wer kann das nicht?

In der vergangenen Woche dann dachten viele Menschen unterschiedlich über die diversen Rücktritte nach. Einige sagten: Respekt! So haben wir uns das doch immer gewünscht! Menschen, die nicht an ihren Posten, ihren Stühlen kleben, sondern die gehen, den Weg frei machen, für das Neue!

Andere sagten: So geht das natürlich nicht, als Politiker sei man zum Beispiel gewählt worden für eine bestimmte Zeit. Der Wähler erwarte, dass er das bekomme, was er gewählt habe - und nicht die Hälfte. Wenn man beim Metzger drei Pfund Gehacktes (halb und halb) kaufe, dann wolle man drei Pfund und nicht anderthalb.

Ich versuchte auch, über die Rücktritte nachzudenken, zunächst über meinen eigenen, und da kam ich zu dem Schluss, dass ich gar nicht zurücktreten könne. Ich würde dann wahrscheinlich kein Geld mehr bekommen. Ich kann mir also einen Rücktritt finanziell nicht leisten, anders als beispielsweise Horst Köhler, der ja auch auf Grund seiner beruflichen Erfahrung wahrscheinlich besser mit Geld umgehen kann als ich.

Es gibt einen Unterschied bei dieser ganzen Rücktritts-Geschichte: Es gibt einmal den Satz: "Gut, dass er weg ist." Und es gibt den Satz: "Gut, dass er geht." Der erste Satz ist die Freude über eine Lücke, eine Leerstelle - er bedeutet, dass man zufrieden ist mit einer Tatsache. Der zweite Satz beschreibt eine Hoffnung - man glaubt, dass es gut wäre, wenn einer geht, man weiß es nur nicht, denn man kennt die Zustand noch nicht, der einsetzt, wenn einer weg ist.

Hoffnung wird heutzutage ja überschätzt - tatsächlich könnte alles nur noch schlimmer werden, wenn einer geht, weg ist und ein anderer kommt. Hat Bahnchef Grube das Unternehmen besser im Griff als Ex-Bahnchef Mehdorn?

Ein englisches Sprichwort lautet: "If you can't stand the heat - get out of the kitchen." Den Satz kann man so unterschreiben, aber dass es in einer Küche mitunter heißer wird als im Keller, das sollte jeder wissen, der sich für ein Amt bewirbt oder sich wählen lässt. Dass man irgendwann plötzlich feststellt: "Hoppla, hier geht es ja rau zu - wusste ich gar nicht, verschwinde ich lieber...", zeugt nicht unbedingt von großer Intelligenz. Manche Dinge muss man auch einfach ertragen, alles andere ist am Ende auch ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die nicht anders können, als ihr Amt / ihren Beruf / ihr Leben anständig über die Bühne zu kriegen.

Abgesehen davon: warum treten eigentlich nie die zurück, von denen man sich das am Ende doch wünscht? Die Überforderten, die Langeweiler, die Auslaufmodelle? Gerade in der vergangenen Woche haben sich einige Rücktrittskandidaten ins Spiel gebracht, die aber leider niemals von selbst zurücktreten werden: Lothar Matthäus, der offensichtlich wirklich nicht anders kann, als der "Bild"-Zeitung sogar private SMS seiner Ehefrau zur Veröffentlichung zu zeigen - obwohl Matthäus im Moment (Stand: Freitag, 13 Uhr) nirgendwo Trainer ist, sollte er doch zurücktreten: als "Bild"-Informant, als Rekordnationalspieler, als Ehemann. Dieter Bohlen muss auch zurücktreten, der glaubt ja gerade tatsächlich, dass er für das Fernsehen so unverzichtbar sei wie Thomas Gottschalk und Günther Jauch, und damit beweist er, dass er vom Fernsehen noch weniger versteht als vom Musikmachen. Lance Armstrong hätte vor einer Woche zurücktreten sollen - ach was! - der hätte irgendwann mal zurücktreten sollen, als er noch eine Gefahr darstellte. Jetzt ist der Mann nur noch ein Imageschaden für die Pharmaindustrie.

Wäre es nicht am einfachsten, wenn alle Leute so lange ihren Job nach besten Wissen und Gewissen erledigen, bis sie vom Hof gejagt werden? Andererseits hätte Ehrhart Körting dann auch noch ein Jahr Zeit.

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