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Ich habe verstanden: Über Prenzlauer Berg hinaus

Der "Spiegel" macht sich wieder mal lustig über Berlin. Matthias Kalle versteht das, das Magazin kommt ja aus Hamburg. Doch diese Woche gab es gute Argumente für Berlin - nicht nur den Internationalen Tag der Jogginghose.

Und gestern las ich dann etwas, was ich immer schon befürchtet hatte, an dem ich verzweifele seit ich 15 bin und die Mädchen nicht mich küssen wollten sondern die Jungs mit der Barbour-Jacke, dem Benetton-Pullover, den Panama-Jack- Boots (richtig, das war Anfang der 90er Jahre). Ich las, dass Frauen Männer attraktiv finden, die viel Geld verdienen. Keine Vermutung, kein Verdacht, keine Meinung: das Partnerauswahlinstitut mit dem fragwürdigen Namen „Elite Partner“ hat das statistisch berechnet, angeblich haben sie das bei 1944 Hamburger Singles abgefragt.

Die Hamburger Singles haben aber noch mehr Antworten geliefert. Zum Beispiel, dass es für Frauen gar nicht wichtig ist, wie viel Geld der Mann verdient – es muss eben nur mehr sein als das, was sie selbst verdienen. Wenn das alles stimmt, dann müsste das für die Liebe und den Fortbestand des gesamten Menschengeschlechts ja eigentlich bedeuten: alles kann so bleiben, wie es ist. Wir brauchen gar nicht mehr Frauen in Dax-Vorständen. Es ist gar nicht ungerecht, dass Frauen für den gleichen Job weniger bekommen als Männer – die Natur will das so, die hat das so vorgesehen auf das die Frau den Mann begehrt. Und der Mann trotzdem aussehen kann wie Schlumpi.

Im Moment sehen ja in Berlin wieder einige Männer aus wie Schlumpi, das liegt allerdings nicht daran, dass diese Männer viel verdienen, sondern daran, dass Fashion-Week ist. Ein Satz, den ich von Kollegen in den vergangenen drei Tagen immer höre, lautet: „Man merkt sofort, wenn in Berlin Fashion-Week ist.“ Ja, das merkt man sofort – aber ist das gut oder schlecht?

Im Nachrichtenmagazin „Spiegel“ steht diese Woche ein Text, der sich in weiten Teilen lustig macht über die Berliner Fashion Week, deren Bedeutung über Prenzlauer Berg nicht hinausreiche. Im gedruckten Tagesspiegel dagegen gibt es Beilagen zu der Modemesse, die mit sehr viel Aufwand sehr gut gemacht sind – darüber habe ich mich mehr gefreut als über den Text im „Spiegel“, aber der „Spiegel“ hat seinen Sitz in Hamburg, aus der Umfrage von „Elite Partner“ wissen wir ja auch, wie Hamburger Singles zum Thema Geschlechter und Geld stehen, vielleicht gibt es da einen Zusammenhang.

Im Tagesspiegel positioniert man sich dafür eindeutig gegen Hamburg, der Kollege Moritz Döbler schreibt: „Berlin ist die beste Stadt der Welt. Wer das nicht findet, soll den Gegenbeweis führen. Wo ist es denn wirklich besser, in der Summe aller Aspekte? Welche Stadt hat so viel zu bieten und kostet so wenig? London oder New York sind viel zu teuer, München und Hamburg auch und obendrein Provinz. Klar, nur wenige Menschen sind so mobil, finanziell unabhängig oder gefragt, dass sie jederzeit überallhin umziehen können, wenn sie nur wollen. Aber selbst wenn es so wäre, wollte man zum Beispiel wirklich in Sao Paulo leben, das in dem Zeitgeistranking eines Internetportals vor Berlin auf Platz eins liegt?“

In seiner klugen Analyse geht es natürlich vor allem auch um die Wirtschaftlichkeit Berlins und darum, dass dieses Modedingens zwar gut und schön ist, aber so wenig reicht, wie „Kreative“ und irgendwelche Beliebtheitsrankings. Berlin hat Schulden, ein durchschnittliches Wachstum – die Stadt „verdient“ in diesem Sinne nicht mehr als andere Städte, eigentlich dürfte sie so gesehen nicht sonderlich attraktiv sein

Heute ist übrigens – und das ist kein Witz – der „Internationale Tag der Jogginghose“. Dieser Tag wird ja in Berlin traditionell das ganze Jahr gefeiert. Den Höhepunkt der Festivitäten nennt man gemeinhin „Fashion Week“.

So, Hamburg, und jetzt kommst Du.

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