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Unser Kolumnist Matthias Kalle.

© Privat

Ich habe verstanden: Warum mich die FDP nichts angeht

Eigentlich ist alles klar für Matthias Kalle: Er müsste die FDP wählen. Das jedenfalls empfiehlt ihm der Wahl-O-Mat, immer und immer wieder. Aber der ist genau wie die FDP ein ganz gewaltiger Irrtum, wie Kalle jetzt verstanden hat.

Die FDP trifft sich in Rostock. Und wenn sich eine deutsche Partei in einer langweiligen deutschen Stadt trifft, dann nennt man das Parteitag, aber es könnte auch sein, dass der Parteitag der FDP wahnsinnig spannend wird und unglaublich viel mit mir zu tun hat. Ist jetzt erstmal nur so eine Theorie.

Die ARD hat eine Umfrage in Auftrag gegeben, es geht ausnahmsweise nicht um die Siegchancen von Lena Meyer-Landrut beim Eurovision Song Contest, sondern um die Siegchancen der FDP, aber nach dieser Umfrage glauben 86 Prozent der Deutschen, dass die FDP sich mehr mit sich selbst beschäftigt anstatt mit den Problemen des Landes. Dass die Partei keine verlässliche Politik mehr zustande bringt, glauben hingegen 61 Prozent der Befragten. Ein bisschen mehr als 30 Prozent hält Philipp Rösler für den richtigen Mann – fragt sich nur wofür.

Natürlich wurde ich – ich berichtete vor einer Woche ausführlich – wieder nicht gefragt worden, was ich denn so von der FDP halten würde. Dabei müsste es doch vor allem die FDP brennend interessieren, was ich von ihr halte, schließlich bin doch ich die Zielgruppe dieser Partei, eigentlich müsste sie mich ständig fragen: "Willst Du mit mir gehen?"

Nein, das will ich nicht, auch wenn mir die Braut dauernd angeboten wird, als sei Wählen eine Resterampe. Als Kuppler dient die Internetseite Wahl-O-Mat, die ja ganz viele, ganz toll finden, ich aber nicht. Der Wahl-O-Mat bringt zu jeder Bundestags- und Landtagswahl einen Fragebogen heraus, 30 Fragen sind es meist, die man beantworten muss und am Ende sagt einem der Wahl-O-Mat, welche Partei am besten zu einem passt – so wie das auch Partnervermittlungsagenturen machen. Seit Jahren nun schon, egal ob auf Bundes- oder Landesebene, bietet mir der Wahl-O-Mat die FDP an, nie, nie, nie aber habe ich die FDP gewählt, denn was möglicherweise für mich und mein kleines Leben gut wäre, muss mit Sicherheit nicht für die anderen, für die Mehrheit gut sein. Tatsächlich glaube ich, das man die Wahl nicht mit einem Ego-Shooter verwechseln sollte, man sollte die Partei wählen, von der man glaubt, dass die große Mehrheit der Menschen eines Landes mit der Politik dieser Partei besser leben würde.

So. Und doch scheint es ein Verhältnis zwischen mir und der FDP zu geben, das Verhältnis ist allerdings furchtbar gestört, ich möchte fast sagen: zerrüttet. Und wie bei allen gestörten Verhältnissen ist die Geschichte dazu höllisch kompliziert. Am Ende dieser Geschichte steht ein Porträt, das Holger Gertz in der Süddeutschen Zeitung über Christian Lindner geschrieben hat. Gertz ist ein großartiger Reporter, Lindner ist Generalsekretär der FDP, und wenn man Texte nicht versteht, dann könnte man annehmen, Gertz habe einen "wohlwollenden" Text über Christian Lindner geschrieben, dabei hat er nur aufgeschrieben, was er gesehen und gehört hat, was er denkt und empfindet. Und dann kam also dieser Text dabei heraus, in dem Christian Lindner eine gute Figur macht – und warum eigentlich auch nicht?

Lindner, Rösler, Bahr – das ist die Jugend der FDP, das ist vielleicht ihr Frühling: drei Jungs, ungefähr in meinem Alter, ungefähr die gleiche Sozialisation – aber es muss einen Moment gegeben haben, so mit 16, 17, 18, einen Moment, in dem die drei etwas anderes wollten als ich, andere Hoffnungen hatten, andere Träume, deshalb gingen sie zu den Jungen Liberalen – und ich ging nirgendwo hin, weil ich meinen Hoffnungen und Träumen nicht traute.

Als Christian Lindner in die FDP eintrat, 1995 war das, hieß der Parteivorsitzende Wolfgang Gerhardt. Das will nichts heißen. Damals war Rudolf Scharping Parteivorsitzender der SPD – man musste Mitte der 90er Jahre als junger Mensch schon sehr von einer Sache überzeugt sein, um den Spott der Freunde zu ertragen – vielleicht ist es das, ein gewisser Trotz, der Rösler, Lindner und Bahr trennt von anderen jungen Männern ihrer Generationen.

Vielleicht ist es auch genau dieser Trotz, der Philip Rösler dazu gebracht hat, am Freitagmittag Guido Westerwelle zu danken, nachdem der seine letzte Rede als Vorsitzender der FDP gehalten hatte, nachdem die Delegierten über sieben Minuten klatschten. Rösler, der neue FDP-Vorsitzende, ist 38 Jahre alt. Er sagte: "Das eigentliche Geschenk, das wir dir schuldig sind, ist der Respekt vor deiner Leistung, deiner Person und deinem Amt als Außenminister." Und nach diesem Satz wusste ich, dass mich die FDP wirklich nichts angeht.

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