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Meinung: „Ich halte uns für neosozial“

Wenn es richtig ist, was Politikwissenschaftler sagen, wenn also politische Bekenntnisse dem Wahlvolk durch glaubwürdige Protagonisten dargebracht werden müssen, dann werden wir nun wohl öfter einen neuen Guido Westerwelle sehen: einen nachdenklichen, versöhnlichen. Freiheitlich, wettbewerbsliebend, liberal: Das wird der FDP-Chef natürlich auch dann noch sein, wenn er in ein paar Wochen neben dem Parteivorsitz auch den Fraktionsvorsitz übernimmt.

Von Antje Sirleschtov

Wenn es richtig ist, was Politikwissenschaftler sagen, wenn also politische Bekenntnisse dem Wahlvolk durch glaubwürdige Protagonisten dargebracht werden müssen, dann werden wir nun wohl öfter einen neuen Guido Westerwelle sehen: einen nachdenklichen, versöhnlichen. Freiheitlich, wettbewerbsliebend, liberal: Das wird der FDP-Chef natürlich auch dann noch sein, wenn er in ein paar Wochen neben dem Parteivorsitz auch den Fraktionsvorsitz übernimmt. Warum sollte er sich auch von seinen staatskritischen Positionen entfernen? Gerade jetzt, wo sich die großkoalitionär mit der SPD regierende Union von Kopfpauschalen und Stufensteuersätzen verabschiedet. Gerade jetzt also, da das ganze Feld der Reformideen, die nicht zuerst nach der Verantwortung des Staates rufen, Westerwelle und seiner Partei allein zur Verfügung steht.

Oppositionsführer zu sein, kann in solchen Zeiten richtig Spaß machen. Am Ende allerdings geht es ums Regieren, also um die Frage, ob die FDP oder die Grünen in Zukunft als Alternative für das Bündnis von Union und SPD taugen.

Keine Frage: Wenn im März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gewählt wird, hat die FDP die besseren Karten. Hier wie dort schöpfen die Liberalen Kraft aus Tradition, lähmt die Erinnerung an Rot-Grün die grünen Wahlkämpfer. Aber wie lange geht das noch so? Die Auswirkungen der Globalisierung auf den Arbeitsmarkt und die Umwelt, die immer drängenderen Probleme der Sozialsysteme und die Frage, wofür der Staat das immer schmaler werdende Steuerbudget ausgibt: All das verlangt Antworten fernab neoliberaler Glaubensbekenntnisse.

Beim heutigen Dreikönigstreffen in Stuttgart wird Westerwelle daher einen ersten Vorgeschmack auf seine neosoziale Metamorphose bieten: Er appelliert an die Verantwortung der Bürgergesellschaft, Aufgaben des sozialen Zusammenhaltes in die eigenen Hände zu nehmen. Familienpolitik, Verbraucherfragen, ja sogar in der Umweltpolitik drängt der FDP-Chef seine Partei zu neuen Bekenntnissen. Dass er im Bundestagswahlkampf Insektenschützer, Windmüller und Gewerkschaftsfunktionäre verteufelte, haben ihm viele verübelt. Sie will der neue Westerwelle nun gewinnen: All jene, die liberal denken, selbst Verantwortung für sich und die Gesellschaft tragen wollen, den all umfassenden Staat dabei kritisch sehen, und trotzdem niemals FDP gewählt hätten.

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