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Meinung: „Ich kann fuchsteufelswild werden“

Fällt in Deutschland das Wort vom „streitbaren Publizisten“, kann neben Henryk Broder eigentlich nur Ralph Giordano gemeint sein. „Ich kann fuchsteufelswild werden, wenn etwas vorkommt, was vordemokratischen Denkweisen entspringt“, sagt er über sich.

Fällt in Deutschland das Wort vom „streitbaren Publizisten“, kann neben Henryk Broder eigentlich nur Ralph Giordano gemeint sein. „Ich kann fuchsteufelswild werden, wenn etwas vorkommt, was vordemokratischen Denkweisen entspringt“, sagt er über sich. Bei einem Streitgespräch für das Internetfernsehen des Kölner Stadtanzeigers gab er sich jetzt so wild, dass Zweifel an seiner eigenen Denkweise aufkamen.

Es ging um den heftig umstrittenen Bau einer Großmoschee in Köln. Giordano traf auf den Dialogbeauftragten des Bauherren und formulierte forsch gegen das Projekt drauflos: Die Integration der Muslime sei gescheitert, die Errungenschaften der abendländischen Kultur seien dem Islam unbekannt, dagegen kämen Ehrenmorde tief aus der islamischen Kultur. Und er habe auf dem Weg ins Studio eine verhüllte Frau sehen müssen, „einen Anblick, der meine Ästhetik beschädigt hat – wie ein menschlicher Pinguin.“

Giordano, 1923 geboren, war als Sohn einer jüdischen Mutter von der Gestapo misshandelt worden. Dies bestimmte sein ganzes Leben. Er kämpfte so kompromisslos gegen rechtes und antisemitisches Gedankengut, dass er 1956 sogar eine Weile der illegalen KPD angehörte – nicht die Richtung, aus der er jetzt als Kronzeuge gelobt wird. Denn seine Argumente gegen die Moschee sind praktisch identisch mit jenen, die die Bürgergruppe „Pro Köln“ formuliert, eine rechtsaußen angesiedelten Sammlungsbewegung, die von ehemaligen Mitgliedern der NPD und der Republikaner gegründet wurde und den Kampf gegen den Bau organisiert. Ihre Website zitiert den „sicher streitbaren, aber bundesweit prominenten Kulturschaffenden“ beifällig: „Es gibt kein Grundrecht auf den Bau einer Moschee in Deutschland!“

Pro Köln ist weit rechts. So weit, dass Giordano selbst seinem Auftritt distanzierend vorausschickte, es handele sich um die „lokale Variante des zeitgenössischen Nationalsozialismus“, die ihn – Zitat „taz“ – „in die Gaskammer stecken würde, wenn sie könnte“.

Neben dem Ärger mit der liberalen Öffentlichkeit hat Giordano nun auch eine Strafanzeige von „Pro Köln“ am Hals. Denn so sehr lieben sie ihn doch nicht, dass sie das mit der Gaskammer auf sich sitzen lassen mögen. Möglicherweise wird er deshalb ein Versprechen einlösen müssen, das er vor einigen Jahren in einem Interview gab: „Ich lasse mich an Versöhnungsbereitschaft von niemandem übertreffen.“

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