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Meinung: „Ich schäme mich für diese Regierung“

Seit Clare Short 1983 als junge Abgeordnete eine Kampagne gegen die barbusigen „Page Three Girls“ der Boulevardzeitung „The Sun“ startete, ist sie das gute Gewissen der Labourparty. Nur zögerlich ließ sich die aufrechte Parteilinke in den Bannkreis von Tony Blairs Politik ziehen.

Seit Clare Short 1983 als junge Abgeordnete eine Kampagne gegen die barbusigen „Page Three Girls“ der Boulevardzeitung „The Sun“ startete, ist sie das gute Gewissen der Labourparty. Nur zögerlich ließ sich die aufrechte Parteilinke in den Bannkreis von Tony Blairs Politik ziehen. Sie diente ihm als Entwicklungsministerin und stimmte sogar für den Krieg im Irak. Doch als der Krieg tatsächlich begann, trat sie zurück. Seither kennt sie nur eins: den Kampf gegen Blair, den „Führerkult“, der sich um ihn entwickelt habe, seine „feige“ Unterstützung für George Bush, mit der er die Vereinten Nationen untergraben und die Welt im Allgemeinen und Großbritannien ganz besonders zu einem gefährlichen Ort gemacht hat. Blair, sagte sie jedem, der es hören wollte, habe im Alleingang die Labourpartei ruiniert und dafür schäme sie sich zutiefst.

Diskretion war nie ihre Sache. Als erste Abgeordnete verstieß sie gegen das ungeschriebene Parlamentsprotokoll und warf einem Minister vor, betrunken am Rednerpult zu stehen. 2004 schreckte sie die Welt mit der Behauptung, Großbritannien habe UN-Generalsekretär Kofi Annan in den Wochen vor dem Irakkrieg abgehört.

Jetzt aber will sie wirklich kein Blatt mehr vor den Mund nehmen. Am Ende der Legislaturperiode in drei Jahren werde sie ihr Mandat niederlegen – nur aus einem Grund: „Damit ich wirklich die Wahrheit sagen kann“. Sie rückte mit der Wahrheit auch gleich heraus. Um den Schaden zu reparieren, den Blair der britischen Demokratie zufügte, will sie für ein „hung parliament“ werben. Mit einem „aufgehängten“ Parlament meinen die Briten das, was in Deutschland gang und gäbe ist: ein Parlament ohne Mehrheitspartei, das Koalitionen bilden muss. Eine solche Koalition, träumt Short, könnte eine Änderung des Wahlrechts erzwingen, es würde im Unterhaus wieder eine „Pluralität der Stimmen“ geben, das Wort der Parlamentarier, die Stimme des Volkes hätten wieder Gewicht. Schluss wäre es dann mit der Arroganz des übermächtigen Premiers und Großbritannien würde wieder ein zivilisiertes Land mit einem ehrenhaften Platz in der Welt.

Das allerdings ging nun wirklich zu weit. Fraktionschefin Jacqui Smith entschied, dass ein Fraktionsausschluss bei so lockeren Reden nicht ausreicht und reichte die Akte Short an das Parteipräsidium weiter. Es droht Parteiausschluss. Dabei verriet Short noch gar nicht, wie sie für ein solches Wahlergebnis werben will.

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