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Meinung: Im Dickicht des Staates

Von Antje Sirleschtov

Ob er vielleicht doch noch nicht ganz verschwunden ist, der Professor aus Heidelberg? Auch wenn es wohl in der großen Koalition im Augenblick niemanden gibt, der sich noch gern an den politischen Schlagabtausch um Paul Kirchhof im letzten Sommer erinnern mag. Spätestens in einer Woche, wenn sich die Spitzen von Union und SPD über das lang erwartete Konzept von Finanzminister Peer Steinbrück zur Reform der Unternehmenssteuern beugen werden, wird er wieder in den Köpfen auftauchen, der mahnende Satz des Professors über den tief sitzenden Frust der Deutschen auf ihre Politiker, die immer ihnen selbst zu viel und den anderen zu wenig Steuern abknöpfen.

Im Erbfall etwa. Da droht Omas Häuschen plötzlich von der billigen Baracke zur mondänen Villa zu werden, wenn die Verfassungsrichter in diesem Herbst den Immobilienwert beim Vererben neu – heißt höher – bewerten werden. Und gleichzeitig sollen Unternehmer ganz und gar von der Erbschaftssteuer befreit werden, ob nun mit Arbeitsplatzgarantie oder nicht. Ist das denn gerecht? Oder das Ehegattensplitting, dieses familienpolitische Vehikel einer längst untergegangenen Zeit. Warum war die Eigenheimzulage für Kleinverdiener mit drei Kindern ein „Steuerschlupfloch“, das Union und SPD gemeinsam einkassiert haben, und der jährliche 8000-Euro- Scheck vom Finanzamt an Gutverdiener, deren Ehepartner nicht arbeitet und auch keine Kinder betreut, ist es nicht?

Es wird nicht getan sein damit, den Steuersatz für Kapitalgesellschaften zu senken, ein paar Verrechnungssteuerschlupflöcher zu schließen und sich ansonsten auf die Vereinfachung der elektronischen Steuererklärung zu beschränken, wie es der Koalitionsvertrag von Union und SPD suggeriert. Denn was heute noch vielen eine Vermutung ist, wird sich spätestens mit der Erhöhung der Verbrauchssteuern im nächsten Jahr und möglicher Zusatzbelastungen aus der Gesundheitsreform zur Gewissheit verdichten: Das in Steuererklärungen gefasste Verhältnis der Bürger zum Staat ist nach wie vor ein Dickicht, aus dem sich die Cleveren befreien können und das damit immer weniger den Anspruch von leistungsgerechter Belastung und sozialer Balance einlösen kann.

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