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Meinung: Im Hass vereint

Das kleinere Übel: Die Idee einer Mauer zwischen Israelis und Palästinensern ist richtig

Mauern haben einen schlechten Ruf. „Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder“, rief Ronald Reagan vor dem Brandenburger Tor. Die Bilder vom Herbst 1989, als Stück für Stück der „antifaschistische Schutzwall“ zerbröselt wurde, verursachen bis heute wohlige Glücksgefühle. Es war das Ende eines Weltkonflikts, in dessen Zentrum die kommunistische Ideologie und das deutsche Volk standen, das gegen seinen Willen gewaltsam getrennt worden war. Mauern einreißen, ob reale oder jene in den Köpfen, ist seitdem zu einem beliebten Motto geworden. Es kommt gleich nach dem Schwur „Nie-wieder-Auschwitz“.

Im Nahen Osten herrscht ein weiterer Weltkonflikt. In dessen Zentrum stehen eine arabisch-muslimische Ideologie, die sich bis heute jeglicher Demokratisierung widersetzt, und zwei Völker, die gegen ihren Willen zusammenleben müssen. Das sind die Israelis und die Palästinenser. Beide sind zutiefst davon überzeugt, das Recht zu haben, auf jenem Boden leben zu dürfen, den die jeweils andere Seite ebenfalls für sich beansprucht. Ihr Schicksal ist dem der Deutschen vor 1989 entgegengesetzt.

Nun will Israel dort eine Mauer errichten. Um das hässliche Wort zu vermeiden, kann man sie auch „Grenze“ oder „Zaun“ nennen. Aber faktisch ist es eine Mauer. Wer darauf mit jenem reflexhaften Empörungsgestus reagiert, der sich aus der europäischen Erfahrung mit Mauern speist, verfehlt den entscheidenden Punkt: Im Nahen Osten kämpft nicht ein getrenntes Volk um seine Vereinigung, sondern zwei zwangsvereinte Völker kämpfen um ihre Trennung. Die Idee einer Mauer ist daher richtig. Überdies hat sie sich, wie das Beispiel des Gazastreifens lehrt, als wirksames Mittel erwiesen, den Terroristen ihr Handwerk zu erschweren.

Zur Lösung des Nahostkonflikts gibt es zwei Wege – Verhandlungen oder die einseitig vollzogene Trennung. Der Verhandlungsweg wurde in den 90er Jahren versucht. Er darf als gescheitert betrachtet werden. Bleibt nur die Trennung. Wie es scheint, hat Ariel Scharon, Israels Ministerpräsident, das verstanden. Bis Ende 2005 will er alle Siedlungen im Gazastreifen geräumt haben. Die erste Räumung wird jener Tabubruch sein, der die Siedler-Ideologie zum Einstürzen bringt. Darauf darf man hoffen.

Zu den größten Problemen zählen indes die Siedlungen auf der Westbank. An den meisten von ihnen will die Scharon-Regierung völkerrechtswidrig festhalten. Deshalb verläuft die Mauer auch nicht entlang der grünen Linie, sondern schneidet in palästinensisches Gebiet ein. Eine gute Idee nimmt einen schlechten Verlauf. Folglich ist sie verdammt worden: erst vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag, am Dienstag dann von der UN-Vollversammlung. Für die nicht bindende Erklärung haben unter anderem alle 25 Mitgliedsstaaten der EU gestimmt. Die Mauer muss weg! Was aber dann?

Dann feiert der Terror wieder Triumphe, und zwei Völker, die sich hassen, leben zwangsweise auf engstem Raum zusammen. Wer dagegen die Grundidee einer Mauer richtig findet, kann allenfalls ihren Verlauf kritisieren. Der aber muss nicht endgültig sein. Auch die Siedlungen im Gazastreifen waren eine verbotene Landnahme. Bald sind sie weg. Entsprechend korrigieren lassen sich Grenzverläufe. Keine Frage: Diese Mauer ist ein Übel. Wer nur die Wahl zwischen mehreren Übeln hat, muss sich für eines entscheiden.

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