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Meinung: Im Klein-Klein verhakt

Bund und Länder wollen sich entflechten – aber der Mut für einen echten Neuanfang fehlt

Bis November soll die Bundesstaatskommission bei der Föderalismusreform zu einem Ergebnis kommen – so wollen es die Kommissionschefs Franz Müntefering und Edmund Stoiber. Das könnte klappen. Ob das Ergebnis sich auch sehen lassen kann, ist aber noch nicht ausgemacht. Das Ziel, den Ländern wieder mehr Spielraum zu geben, den Wettbewerb um bessere Lösungen freizusetzen, verschwimmt zusehends. Den in der Kritik stehenden „Exekutivföderalismus“ und den verkappten Zentralismus stutzt die Kommission bislang kaum.

Dabei gibt es positive Ansätze. So dürften die Zustimmungsrechte des Bundesrats beschnitten werden, dafür kommt den Ländern mehr Eigenständigkeit bei Verwaltungsverfahren zu. Viele langwierige Verfahren im Vermittlungsausschuss wären damit hinfällig. Der Bund könnte schneller agieren, regionale Besonderheiten könnten besser berücksichtigt werden. Doch schon droht eine Verwässerung durch Sperrklauseln und andere Kompliziertheiten. Bei der Neuordnung von Verantwortung zwischen Bund und Ländern durch Kompetenztrennung ist die Kommission dagegen nicht weit gekommen. Vor allem bei der Bildungspolitik, eigentlich Ländersache, aber mit vielfältigen Beteiligungsmöglichkeiten des Bundes versehen, hat man sich verhakt.

Daran hat auch die rot-grüne Koalition Schuld, die hier neuerdings ein Feld der Profilierung sieht: Ganztagsschule, Elite-Unis, Kinderbetreuung. Das Verhalten der Regierung ist freilich mit dem Anliegen der Föderalismusreform nicht vereinbar. Der Bund nimmt eine Zuständigkeit in Anspruch, die er nicht hat und die er nicht bekommen wird. Es ist ja auch mehr politisches Marketing, was Rot-Grün betreibt. Denn über Forderungen an untere Ebenen, mal was zu tun, und einige Milliarden als „Karotte“ hinaus werden diese Vorhaben finanziell nicht langfristig abgesichert. Kein Wunder, dass nun die Länder darauf dringen, Gesetze mit erheblichen Folgekosten müssten im Bundesrat zustimmungspflichtig sein – sonst werde man die Reduzierung der Zustimmungsrechte insgesamt nicht mitmachen. Zudem ist in der Kommission unstrittig, dass der Bund den Kommunen keine Aufgaben mehr auflasten darf.

Ob die Länder künftig in einem gewissen Rahmen von Bundesgesetzen abweichen können, wenn sie dies wollen, ist nicht abzusehen. Dabei zeigt gerade Hartz IV, dass mit flexiblen Möglichkeiten einiges gewonnen wäre. Die Ost-Länder könnten ihre Sondersituation besser berücksichtigen und müssten nicht beim Kanzler betteln. Und Kreise und Kommunen, die ihre Langzeitarbeitslosen selbst betreuen wollen, könnten aktiv werden, ohne sich um die begrenzten Plätze zu streiten, die ihnen nach mühsamen Vermittlungen zugestanden wurden.

Wegen des Misstrauens zwischen Bund und Ländern und fehlenden Mutes in einer Politikerschaft, die im föderalen Klein-Klein groß wurde und gar nichts anderes kennt, werden Müntefering und Stoiber es schwer haben, wirklich Verfassungsgeschichte zu schreiben.

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