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Meinung: Im Original nie radikal

Westerwelle führt die FDP jetzt allein – die Erwartungen sind größer als die Partei

Es hatte schon seinen besonderen Sinn, dass Guido Westerwelle am Tag der Arbeit den Vorsitz in der FDP-Fraktion von Wolfgang Gerhardt übernahm. Denn das wartet auf ihn: Arbeit, auch an sich selbst. Jetzt steht er wirklich allein an der Spitze der Partei. Nun muss er alle die Erwartungen erfüllen, die er selbst mit dem Satz geweckt hat, dass die Führung „Leute mit Charisma“ sein müssen, „die sowohl kompetent als auch sichtbar sind“.

Die Freidemokraten und die, die Westerwelle noch gewinnen will, werden sehr genau darauf schauen, wohin der Vorsitzende weist. Skepsis begleitet ihre Blicke. Die FDP ist auf der Suche, muss ihren Standort überprüfen. Lange ist sie – verengt – als reine Wirtschaftspartei angesehen worden. Inzwischen reden aber ihre direkten Konkurrenten, die Grünen, mindestens so viel wie sie vom Steuern durch niedrigere Steuern, so dass damit ein vermeintliches Alleinstellungsmerkmal der FDP zu entfallen scheint. Noch radikaler können außerdem ihre Positionen auf diesem Gebiet nicht werden, weil dann politische Wirklichkeit und oppositionelle Forderung zu weit auseinander fallen. Das wirkt nicht mehr glaubwürdig. Zumal sich die Wähler unter der großen Koalition gerade auf eine Rückkehr des Sozialen einstellen – in dessen Formulierung die FDP eigentlich auch eine Tradition hat. Wer ihre Thesen aus den 70er Jahren nachliest, gewinnt den Eindruck, dass die Grünen nicht erst erfunden werden mussten.

Insofern war es wohl schon richtig, dass die FDP unter Westerwelle nun ihrerseits die Grünen stellen will. Zunächst auf deren ureigenem Gebiet, der Umweltpolitik. Westerwelles Anspruch ist auch hier hoch. „Modern, intelligent und ökologisch“ soll die Marktwirtschaft durch seine Partei werden. Das Konzept fehlt noch. Als zweites bietet sich die Innen- und Rechtspolitik an, dringend sogar. Menschenrechte und Bürgerrechte, informationelle Selbstbestimmung, Datenschutz, alles das benötigt energische Verteidiger. Nirgends war die Partei in vergangener Zeit erfolgreicher.

Das Thema dient ebenfalls auch zur Abgrenzung nicht allein von den Grünen, sondern von den anderen Wettbewerbern, der SPD und der CDU. Deren Konservativismus erlaubt dem Staat viel mehr, als es ein Liberaler wollen kann.

Bleibt als letztes die Frage, mit wem die FDP Regierungsmacht erreichen will. In den Bundesländern erlebt sie das Paradox, dass sie gewählt, aber zugleich aus den Regierungen herausgewählt worden ist. Die FDP ist aber eine Regierungspartei. Nur in diesen Funktionen wird sie ausreichend wahrgenommen: als Antreiber und als Korrektiv. Die FDP ist keine geborene Oppositionspartei – es sei denn, sie wollte sich radikalisieren. Das allerdings würden die Wähler übel nehmen. Also muss die Partei Partner danach aussuchen, was im Sinn einer verantworteten Modernität, einer Erneuerung mit Augenmaß und Verstand, vernünftig erscheint. Alles zusammen markiert den Spielraum für Flexibilität und zeigt den Anspruch an Westerwelles Arbeit.

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