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Meinung: Im schönsten Kanon

Von Wolfgang Huber WO IST GOTT Dona nobis pacem: Herr, gib uns deinen Frieden! Von Wolfgang Amadeus Mozart stammt die Melodie für diesen Kanon.

Von Wolfgang Huber

WO IST GOTT

Dona nobis pacem: Herr, gib uns deinen Frieden! Von Wolfgang Amadeus Mozart stammt die Melodie für diesen Kanon. Es ist nicht nur der schönste Kanon, den ich kenne, es ist – nach dem Vaterunser – zugleich das wichtigste Gebet der Christenheit überhaupt.

Überall in der Welt kann man diesem Kanon begegnen. Vor einer Woche hat Wolfgang Tiefensee, der Oberbürgermeister von Leipzig, das „Dona nobis pacem" auf seinem Cello gespielt und damit die Tonlage für Leipzigs Olympiabewerbung angestimmt. Die Bitte um Gottes Frieden wurde zum sportpolitischen Argument. Der Friedenswunsch, der im Jahr 1989 am Montagabend aus den Kirchen auf die Straßen getragen wurde, wurde wieder lebendig. Auch im Jahr 2003 haben übrigens Zehntausende auf Leipzigs Straßen dieses Lied gesungen.

Österlicher Gottesfrieden

Auf das frühe Mittelalter geht der Brauch zurück, für besondere Zeiten des Jahres einen „Gottesfrieden", eine „treuga dei", auszurufen. Der Sonntag galt als eine solche Friedenszeit, aber auch die Karwoche und Ostern als die Zeit des Kreuzestodes und der Auferstehung Jesu wurden immer wieder als eine Zeit des Gottesfriedens in Anspruch genommen, als eine Oase der Gewaltfreiheit inmitten fortdauernder Gewalt.

Nicht einmal Optimisten sehen im Osterfest 2003 eine solche Oase. Nicht einmal diejenigen, die über den Sturz des irakischen Diktators jubeln, können verbürgen, dass die geschundene Bevölkerung des Irak nun vor Gewalt sicher ist. Denn nur die Zerstörung der alten Tyrannei, nicht aber der Aufbau einer neuen Ordnung ist bisher zu erkennen. Und Zweifler fragen, ob denn mit diesem Krieg alle Dämme gebrochen sind, die der militärischen Gewalt bisher noch die Stellung eines „letzten Mittels" zuwiesen. Ist die Rede vom Krieg als der „ultima ratio" nun endgültig zur Worthülse verkommen?

Und doch bekennen Christen auch an Ostern 2003 den auferstandenen Christus als einen König des Friedens – eines Friedens allerdings, wie die Welt ihn gerade nicht bereithält. Gewiss ist das ein Friede des Herzens, ein Seelenfrieden, wenn man so will. Zugleich aber ist es ein Friede, der niemanden ausschließt, wirklich niemanden. Wer sich an diesen Frieden hält, der lehnt sich dagegen auf, wenn Menschen ein unterschiedlicher Wert zugemessen wird, auch noch im Tod.

Kriegstote im Irak beispielsweise zählen für ihn gleich, unabhängig von Nationalität und Stellung, seien sie Iraker oder Amerikaner, Soldaten oder Zivilisten, jung oder alt, Frauen oder Männer. In einer Welt, die immerfort zwischen Menschen erster und zweiter Klasse unterscheidet oder zwischen Bösen und Guten sortiert, hat die christliche Friedensbotschaft eine schwer überbietbare Radikalität.

Aber wie steht es mit den Kirchen selbst? Papst Johannes Paul II. hat gerade eine Enzyklika veröffentlicht, in der sein persönliches Verhältnis zur Eucharistie, zur Feier des heiligen Abendmahls, eindringlich zur Sprache kommt. In schroffer Form aber verwehrt er Katholiken das Recht, an den Abendmahlsfeiern anderer christlicher Konfessionen teilzunehmen. Sie würden damit, so fürchtet er, die Wahrheit der Eucharistie verdunkeln.

Kardinal Meisner fügt sicherheitshalber hinzu, damit sei auch dem, der nicht zur katholischen Kirche gehört, die Teilnahme an der katholischen Messe verwehrt. Die evangelische Kirche aber kann gar nicht anders, als getaufte Christen anderer Konfession, die das wünschen, zu ihrer Abendmahlsfeier zuzulassen. Denn nicht das kirchliche Amt, Christus selbst lädt doch zu dieser Feier ein.

Und die Kirchen?

So haben die Kirchen auch selbst mit dem Osterfrieden noch einiges zu tun. Noch intensiver müsse das ökumenische Gespräch werden, hat Kardinal Lehmann in einer ersten Reaktion auf die Enzyklika des Papstes gesagt. Dem stimme ich gern zu. Der Ökumenische Kirchentag in vierzig Tagen in Berlin ist dafür eine großartige Gelegenheit.

Aber nicht nur das ökumenische Gespräch, auch die ökumenische Wirklichkeit wird sich weiterentwickeln. Denn die Kirchen müssen sichtbare Zeichen setzen für den Frieden, den die Welt nicht geben kann und den sie doch so dringend braucht. Beliebig Zeit lassen können sie sich dafür nicht.

Der Autor ist Bischof der Evangelischen Kirche in BerlinBrandenburg.

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