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Meinung: Im Sommer die Erholung

Von Stephan-Andreas Casdorff Die Sommerpause naht – und wird wohl keine werden. Der Wahlkampf hat in einer Weise angezogen, wie es noch vor einigen Wochen niemand gedacht hat.

Von Stephan-Andreas Casdorff

Die Sommerpause naht – und wird wohl keine werden. Der Wahlkampf hat in einer Weise angezogen, wie es noch vor einigen Wochen niemand gedacht hat. Was auch zeigt, wie schnell sich die Lage ändern kann: von einem Tag auf den anderen. Der Kanzlerparteichef hat sich schnell ein blaugelbes Feindbild aufgepumpt, und weil das Feindbild ja auch vieles getan hat, dem zu entsprechen, wird die Ausgangslage für die Sozialdemokraten spürbar besser.

Die Stimmung in den Umfragen schwankt sowieso. Von 29 Prozentpunkten bis zu mehr als 33 reichen die Angaben. Die letzte stammt vom Institut Allensbach, und das lag auch bei der Wahl 1998 am besten. Danach hätte die Union nicht jene 41 Prozentpunkte, von denen immer geschrieben wird, schon gar nicht die 45, sondern pendelte um die 38. Daran und an die Tatsache, dass fast drei Viertel die Wahl für nicht entschieden halten, lassen sich realistische Hoffnungen knüpfen, die potenziellen Gegner, CDU/CSU und FDP, noch aus der Balance zu bringen.

Zumal in diesem Lager – das die Grünen jetzt im Verein mit Schröder kräftig zusammenreden – keine Geschlossenheit herrscht. Weder ist diese Geschlossenheit zwischen Union und FDP vereinbart, noch wird sie sich so leicht herstellen lassen. Man höre nur, wie CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer sich öffentlich mit der FDP auseinander setzt. Von den internen Klagen der Union ganz zu schweigen.

Also geht es nun für Rot-Grün darum, ein dominantes Generalthema zu setzen und eine klare Strategie zu verfolgen. Das Generalthema gibt es schon seit längerer Zeit, nur drang es nicht recht durch. Von den Grünen stammt die Losung: Wir oder die. Unsere moderne, offene Gesellschaft, die natürlich mit Fehlern behaftet ist, aber nach unseren Vorstellungen in den nächsten vier Jahren weiter verbessert werden wird – gegen die Welt der Edi-Ritter, rückwärts gewandt, deren Zukunftsprogramm von gestern ist, in den wichtigsten Aussagen noch aus der Ära Kohl. Ein Vergleich würde sich in der Tat lohnen.

Inzwischen beginnt dieses Generalthema durchzudringen. Und die SPD kann sich erholen. Aber wie, wo nur noch vier Monate bleiben? Durch einen Wahlkampf, der angelehnt an den erfolgreichen von ’98, drei Säulen hat: Mobilisierung, Differenzierung, Modernisierung. Die Mobilisierung gegen etwas fällt immer leichter, hinzu kommt die für Schröder. Und er macht es am besten selber.

Da in Nordrhein-Westfalen die Wahl gewonnen werden kann, muss der Kanzler dort einen Schwerpunkt setzen, um die Stammwähler in den Hochburgen zurückzuholen, die bei den letzten Wahlen fehlten. 46 Prozent sind das Ziel, das durch Veranstaltungen wie Bürgerforen und Kommunalkonferenzen über alle Themen, von den Kommunalfinanzen bis hin zu Investitionen für Kinder, mindestens erreicht werden muss. Im Ruhrgebiet macht „Politik zum Anfassen“ Eindruck, nach dem Motto: Wir stellen uns. Ohnehin ist das Wahlkampffinale am 20. September in Dortmund. Außerdem braucht die SPD kämpferische Präsenz des Kanzlers, um aus der Defensive herauszukommen, in der sie sich seit der Spendenaffäre fühlt.

Zur Differenzierung könnte gehören, in den Osten der Republik, wo die Wahl verloren gehen kann, mit konkreten Projekten zu ziehen. Ein selbstbewusster Regierungschef beeindruckt, aber das Misstrauen ist verbreitet. Versprochen, gehalten – darauf kommt es an. Am besten wäre wohl, weitere Bauprojekte zu beginnen, die sichtbare „Inseln der Hoffnung“ bilden, und noch einmal über ABM nachzudenken. Helfen könnten Schröder hier seine Minister. Derweil muss die Modernisierung weitergehen, mit klaren Ansagen zur Entlastung des Mittelstands auch durch Deregulierung, zu einer Gründeroffensive, zur Kostensenkung bei der Gesundheit.

So ist der Stand heute: Bei der SPD beginnt der Wahlkampf. Der Kanzler lässt die Sommerpause ausfallen. Er will jeden Tag nutzen. Die Lage kann sich ja so schnell ändern.

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