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Meinung: Im Stimmungshoch

Von Martina Ohm Von wegen schwach. Seit Wochen ist Europas neue Währung im Aufschwung.

Von Martina Ohm

Von wegen schwach. Seit Wochen ist Europas neue Währung im Aufschwung. Am Montag kostete ein Euro nur noch einen Dollar. Und eine Trendumkehr ist nicht in Sicht. Macht die junge Gemeinschaftswährung nun dem „Greenback“ seine Vormachtstellung im Welthandel streitig? Erfüllt sich womöglich der Traum der Franzosen, die sich vom Euro immer auch politische Macht und Überlegenheit erhofften?

Die Stärke des Euro ist nur eine relative. Gemessen an seinem Tiefststand vom Oktober 2000, als ein Euro gerade mal 82 US-Cent wert war, erscheint die Aufholjagd zwar eindrucksvoll. In Relation zum Einstandspreis vor drei Jahren (1,18 Dollar) hingegen sieht das Bild schon wieder anders aus. Die Verluste, die der Euro seit seinem Debut gegenüber dem Dollar hinnehmen musste, hat er nicht wieder wettgemacht. Per Saldo beträgt die Abwertung noch immer mehr als 20 Prozent. Kein Grund also für Überlegenheitsgefühle.

Unstrittig aber bleibt: Zurzeit spricht die Stimmung für den Euro. Das liegt nicht etwa an Europa. Weder befindet sich die europäische Wirtschaft plötzlich in einer ausgeprägten Boomphase noch wurden über Nacht die strukturellen Probleme beseitigt. Auch die Millionen Arbeitslosen sind nicht verschwunden.

Der Euro profitiert vielmehr von der Schwäche Amerikas. Das Bild der starken Volkswirtschaft USA hat Kratzer bekommen. Der Niedergang der New Economy, die permanenten Enttäuschungen an Wall Street, die Bilanzmanipulationen und die wachsenden Zweifel an der tatsächlichen Wachstumskraft der Vereinigten Staaten lassen die Anleger in zunehmendem Maße nach Alternativen zu Dollar-Anlagen suchen. Zumal immer mehr Investoren mittlerweile begreifen, dass die größte Volkswirtschaft der Welt auch den nächsten Aufschwung auf Pump finanziert.

Da stört es dann nicht weiter, dass der Wirtschaftsraum Europa in diesem und im kommenden Jahr mit deutlich niedrigeren Wachstumsraten aufwartet als die USA. Und dass die neuesten Inflationsprognosen höher ausfallen als in den Staaten und dass die Europäer noch weit von Amerikas Reformgeist entfernt sind. Unter dem Strich erscheint Europa immer mehr Investoren als eine kalkulierbare Alternative.

Die Rückkehr zur Normalität, wie Devisenmarktfachleute das sich abzeichnende neue Kräfteverhältnis von Euro und Dollar beschreiben, darf für die Europäer freilich kein Freibrief sein, sich von bewährten Prinzipien zu verabschieden. Der Euro gewinnt ausgerechnet in dem Moment an Gewicht, in dem immer mehr Euro-Staaten es mit der Ausgabendisziplin nicht mehr so genau nehmen. Das darf kein Argument für eine Abkehr vom Stabilitätspakt sein.

Vertragstreue ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Was gestern galt, ist heute nicht falsch. Solide Staatsfinanzen bleiben eine Voraussetzung für Vertrauen in Wachstumskraft und Währung eines Wirtschaftsraumes. Mögen sich die Rahmenbedingungen auch ändern, mögen immer mehr die Frage stellen, ob in Zeiten von Konjunkturflaute und Massenarbeitslosigkeit nicht doch ein neuer Maßstab nötig wäre – und größere Flexibilität bei den Stabilitätskriterien gleich dazu. Erst der Stabilitätspakt hat den Europäern eine bis dato ungekannte Stabilitätskultur beschert. Wo wären Inflation und Zinsen in Euroland heute ohne die nachhaltigen Stablitätsversprechen des legendären Waigel-Paktes?

Die Grundlagen für den Vertrag von Maastricht in Frage zu stellen, wäre so fahrlässig wie kurzsichtig, zumal der Stabilitäts- und Wachstumspakt, wie der schon sagt, auch für schwierige Zeiten Spielräume vorsieht. Im politischen Alltag jedoch wird das gern vergessen. Aus wahlpolitischem Opportunismus wollen manche das Kleingedruckte geflissentlich übersehen – selbst die Deutschen, die mal als Musterschüler galten. Feste Vereinbarungen werden in Frage gestellt, weil es politisch in die Landschaft passt.

Mit höheren Staatsausgaben werden die Europäer die anstehenden Reformaufgaben kaum meistern. Eher hilft da noch der Druck durch den starken Euro. Der macht das Exportgeschäft schwieriger. Dann muss man realistischer kalkulieren.

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