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Meinung: Im Strom der Zeit

In Schleswig-Holstein verliert die SPD. Die CDU gewinnt – auch an eigener Kraft

Von Robert Birnbaum

Der Norden ist schwarz – und das bedeutet wieder einen schwarzen Tag für die SPD. Die Kommunalwahl in Schleswig-Holstein reiht sich gnadenlos in die Kette der Niederlagen ein, die die Kanzler-Partei seit dem Wahltriumph im Bund eingefahren hat. Die Parallele zu den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen liegt nicht nur in der Tendenz, sondern auch im Umfang: Die CDU mit knapp über 50 Prozent auf dem Weg zur letzten Volkspartei, die SPD mit knapp unter 30 Prozent auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft. Dass sich der Rest des SPD-Potenzials bei einer Wahlbeteiligung von nicht mal 55 Prozent vermutlich in die Enthaltung geflüchtet hat, ist kein Trost. Also aufs Neue eine Strafe für Gerhard Schröders Tun und Lassen? Ja, auch – aber nicht nur.

In der Politik wie in der Konjunktur gibt es langfristige Wellenbewegungen ebenso wie das hektische Gekräusel des Tages. Schleswig-Holstein war nach dem Krieg lange Zeit CDU-regiert. Die SPD übernahm 1987 die Führung, ist aber seit ihrem historischen Hoch 1988 kontinuierlich wieder auf einem Weg nach unten. Im Februar 2000 galt ihre Niederlage als sicher. Doch Helmut Kohls Spendenaffäre brachte die Christdemokraten um den Sieg. Die Kommunalwahl nimmt nun diesen längerfristigen Trend wieder auf. Etwas platt, aber doch im Kern zutreffend gesagt: Nach eineinhalb SPD-Jahrzehnten erscheint ein Wechsel einfach fällig.

Diese landespolitische Komponente hat mit Sicherheit eine erhebliche Rolle gespielt. Kommunalwahlen sind, anders als das in der Regel bei Landtags- und Bundestagswahlen der Fall ist, Abstimmungen über Personen und Kräfteverhältnisse, die die Wähler aus täglicher Anschauung kennen. Das gilt umso mehr in einem Land mit überschaubaren ländlichen und kleinstädtischen Strukturen.

Die landespolitische Komponente bietet der Bundes-SPD aber wenig Trost. Gerhard Schröders Politik hat, um das Mindeste zu sagen, dem Abwärtstrend nichts entgegengesetzt. Kräftiger Rückenwind aus Berlin hätte die Tendenz vielleicht wenden können. Was kam, war Gegenwind. Erwischt hat er bezeichnenderweise nur die SPD. Der grüne Koalitionspartner hat dagegen zugelegt – ein deutliches Zeichen dafür, dass die Wähler innerhalb des Regierungslagers klar differenzieren. Innerhalb der SPD, weniger zwischen SPD und Grünen herrscht Zank über den Kurs. Innerhalb der SPD stehen sich „Reformer“ und „Bewahrer“ gegenüber. Folgerichtig bleiben der SPD verwirrte Wähler weg.

Der große Profiteur dieser Hahnenkämpfe ist die CDU. Dass 50-Prozent-Ergebnisse nicht ausschließlich ihr eigenes Verdienst sind, wissen die Christdemokraten selbst am besten. Trotzdem widerfährt ihnen nicht nur unverdientes Glück. Die Bundes-CDU hat, um auch hier das Mindeste zu sagen, dem positiven Bundes- und Landestrend nichts in den Weg gelegt. Es ist zwar nach wie vor nicht ganz einfach, Gründe dafür zu finden, warum jemand CDU wählen soll – dafür ist deren Haltung in vielen Fragen immer noch viel zu schwammig. Aber in der jetzigen Gemengelage reicht es offenbar aus, dass die Union wenigstens nach außen Geschlossenheit in aller Schwammigkeit zeigt: besser keine Position als eine strittige.

Die Union kann sich diese Unbestimmtheit vielleicht auch deshalb leisten, weil sie in den zentralen Fragen der Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik auf frühere Verdienste aufbauen kann. Für die ersten Ansätze zur Reform erstarrter Verhältnisse, damals vor allem von Wolfgang Schäuble vorangetrieben – Stichwort „Lohnfortzahlung“ –, ist die Union 1998 vom Wähler abgestraft worden. Heute sind Zumutungen immer noch nicht populär. Aber die Einsicht in ihre Notwendigkeit wächst. Davon profitiert die Union. Sie rückt ohne weiteres Zutun in den Mainstream. Darin liegt die wirkliche Gefahr für die SPD. Die CDU besetzt nicht nur die Kreistage und Landesparlamente. Sie hat die Chance, zentrale Begriffe zu besetzen. Damit fängt ein Machtwechsel immer an.

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