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Meinung: Im Tiefenrausch

Warum die PDS dem Untergang nah ist – und die SPD sie dabei nicht aufhalten sollte

Nach lautstarken Protesten haben die Reformer ganz klein beigegeben. Gysi mitsamt seinen Gesinnungsgenossen bleibt in der PDS. Der ganze Streit um Richtung und Führung und Erneuerung – ein Sturm im Wasserglas? Die PDS-Spitze hätte das gern. „Jeder wird gebraucht,“ schrieb die Parteichefin Gabi Zimmer an Gysi und behauptet inzwischen sogar, es habe nie einen Richtungsstreit gegeben.

Das ist frech – gelinde gesagt. Seit Gera ist die PDS auch offiziell eine Partei mit völlig neuer Ausrichtung: „Gestaltende Opposition“, nannte Zimmer den Auftrag der PDS und ihr Bundesgeschäftsführer Uwe Hiksch ergänzte: „sozialistische Opposition“. Dafür wurde die neue Führung gewählt.

Die logische Konsequenz daraus müsste ein sofortiges Ende der Regierungsbeteiligungen in Berlin und Mecklenburg Vorpommern sein, das bewusst gesetzte Ende aller rot-roten Koalitionen. Aber die PDS ist viel zu machtverliebt, um konsequent zu sein. Bundesspitze, Reformer und Landeschefs üben sich in Verharmlosungen und versichern eifrig, dass das alles schon irgendwie zusammengehe. In der Ausblendung von Realitäten sind sich Reformer und Traditionalisten offenbar einig. Darum stehen die PDS-Politiker in Berlin und Schwerin nun vor der unlösbaren Aufgabe, Regierungspartei im bürgerlichen Rechtsstaat zu sein – und gleichzeitig ihre eigene sozialistische Fundamentalopposition zu stellen. Die Partei unterstützt künftig aktiv die außerparlamentarischen Oppositionsgruppen, die gegen die eigene Regierungspolitik agitieren – eine absurde, ja schizophrene Situation.

Auch dem Wähler ist das wohl schwer zu vermitteln. Wer soll denn einer Partei die Stimme geben, die zwar regiert, aber eigentlich sozialistische Opposition sein will? Die einen politischen Gestaltungswillen in der parlamentarischen Demokratie explizit ausschließt? Die sich als Hebel des außerparlamentarischen Widerstands sieht? Die PDS arbeitet nach dem Wahldebakel auf Bundesebene nun offenbar mit allen Mitteln daran, auch auf Landesebene in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.

Sie droht dabei, ihren Koalitionspartner mit in die Tiefe zu reißen. Wollen Harald Ringsdorff und Klaus Wowereit wirklich mit einer Partei koalieren, die sich als Systemgegner versteht? Auch Klaus Wowereit ist entweder naiv oder ziemlich nah dran an der Schwindelei, wenn er behauptet, die Koalition sei nicht beeinträchtigt, der Parteitag in Gera werde keine Auswirkungen auf das rot-rote Regierungsbündnis haben.

Nein, von Naivität kann beim Regierenden Bürgermeister wohl nicht die Rede sein, eher davon, dass er um den Erhalt seines Postens kämpft. Das ist ja legitim – aber er verfolgt dabei die falsche Strategie. Das mittelfristige „Weiter so“ mit einer Partei, die sich selbst die Grundlage zum Regieren entzogen hat, muss der SPD schaden.

In Mecklenburg-Vorpommern, wo SPD und PDS gerade in den Koalitionsverhandlungen stecken, wäre ein Umlenken noch möglich – die Alternative hieße Große Koalition, die Harald Ringsdorff bisher eher aus persönlichen Gründen vermied. In Berlin, wo die Regierung auch über die Landesgrenzen hinweg symbolische Strahlkraft entwickelt, sind Konsequenzen noch dringender. Was hätte Wowereit verloren, wenn er den Sozialisten das Bündnis aufkündigte? Es würde Neuwahlen geben. Und bei der derzeitigen Stimmungslage sind die Aussichten nicht schlecht, dass Rot-Grün auch in Berlin eine Mehrheit bekäme.

Der Regierende Bürgermeister könnte also ruhig mutiger sein. Und konsequenter – im Interesse des Landes und aus Eigennutz.

Simone von Stosch

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