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Meinung: Image braucht Substanz

Gersters teure PR-Kampagne setzt an der falschen Stelle an

Friedrich Merz ist „fassungslos“. Sagt er. Eigentlich ist der Sauerländer so schnell nicht aus der Fassung zu bringen. Doch in diesem Fall hat er dem Volk aufs Maul geschaut. Denn dass die Bundesanstalt für Arbeit 1,3 Millionen Euro für eine Medienberatung ausgibt, ist für viele schwer zu verstehen. Dabei brauchen die Arbeitsämter doch so dringend professionellen Rat, wenn sie ihr Image verbessern wollen. Allein die Umbenennung von Bundesanstalt in Bundesagentur wird nicht reichen. Deshalb will Florian Gerster im kommenden Jahr 25 Millionen Euro für Marketing ausgeben, davon gut 800000 Euro für die PR-Agentur WMP, die sich bereits in diesem Jahr über 500000 Euro aus Nürnberg freuen darf.

Das Geld von anderen gibt sich immer leicht aus. Und alle Jahre wieder berichten uns die Rechnungshöfe über den häufig fahrlässigen und manchmal sogar schwachsinnigen Umgang der Behörden mit unser aller Steuergeld. Florian Gerster wird von der Allgemeinheit bezahlt, von Beitrags- und Steuerzahlern. Und Florian Gerster ist in der SPD. Deshalb attackiert ihn der CDU-Politiker Merz und erinnert daran, das Gersters Gehalt verdoppelt und die Vorstandsetage in der Nürnberger Zentrale aufwändig renoviert wurde. Damit sich der Anstaltsleiter auch wohl fühle.

In diesen Tagen ist das schwierig. 1,3 Millionen für eine PR-Agentur – das müssen tolle Berater sein, geradezu Künstler, die das triste Grau der Arbeitsämter wegzaubern. 1,3 Millionen ohne Ausschreibung? Wie gut kennt Gerster den WMP-Mann Bernd Schiphorst? Ist es vermittelbar, in der aktiven Arbeitsmarktpolitik, die vor allem Langzeitarbeitslosen zugute kommt, Milliarden zu streichen und gleichzeitig viele Millionen für Marketing auszugeben? Natürlich nicht. Der gelernte Psychologe Gerster, der sich gerne als sozialpolitischer Vordenker in den Vordergrund stellt, hat sich offenkundig von den wirklichen Verhältnissen weit entfernt. Anders ist diese Eselei nicht zu erklären. Wenn der Chef von 90000 Mitarbeitern aber kein Gespür mehr hat für Proportionen, dann muss man sich Sorgen machen um die Arbeitsämter, die doch alle zu schmucken Servicecentern umgebaut werden sollen.

Die Kernphilosophie der deutschen Arbeitsmarktpolitik ist spätestens seit der Hartz-Kommission ein ausgewogenes Fördern und Fordern. Der von Arbeitslosigkeit betroffene Einzelne darf sich auf die Solidarität der Gemeinschaft verlassen können. Die Gemeinschaft wiederum hat auch einen Anspruch auf die Solidarität der Einzelnen; jeder soll sich stärker als bislang um einen Job bemühen und auch schlechter bezahlte Arbeit annehmen müssen. Dieses Prinzip kann aber nur funktionieren, wenn die Arbeitsämter funktionieren. Wenn die Betroffenen dort wirklich Hilfe bekommen und die Massenarbeitslosigkeit nicht länger nur verwaltet wird. Dazu müssen die Strukturen stimmen, genug Geld da sein und die Mitarbeiter entsprechend umgeschult und motiviert werden.

Wie weit wir davon noch entfernt sind, wissen die Arbeitslosen. Eine erfolgreiche Vermittlung auf der Grundlage des viel versprechenden „Profiling“, also einer Stärken- und Schwächen-Analyse, des Könnens und des Willens des Arbeitslosen, ist bis heute eher die Ausnahme. Aber genau da, in der täglichen Arbeit in den Ämtern, beginnt die Imagebildung für die Nürnberger Behörde. Auch mit dem schönsten und teuersten Marketing kann man eine Bruchbude nicht als Palast verkaufen. Gersters großzügige Auftragsvergabe geht an den Arbeitslosen vorbei. Vermutlich nehmen künftig immer mehr Arbeitssuchende ihr Schicksal selbst in die Hand und machen sich mit einer Ich AG selbstständig. Vielleicht als Medienberater. Wo sonst gibt es für wenig Arbeit so viel Geld?

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