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Immer wieder Wowereit: Berlin wird schlecht regiert - es fehlt Leistungsdruck

Die deutsche Hauptstadt wird nicht gut regiert, meint Harald Martenstein. Und zwar weil Klaus Wowereit und die SPD trotz aller Fehlentwicklungen nicht unter Leistungsdruck stehen. Es fehlt eine kraftvolle Opposition.

Berlin hat im Moment wieder einmal viele ungelöste Probleme. Der Flughafen. Die Schulen. Die Infrastruktur, vom Autoverkehr über die kaputten Bürgersteige bis zur S-Bahn. Funktioniert in Berlin irgendwo etwa noch etwas? Das wäre eine Überraschung. Sogar die SPD funktioniert in Berlin ja nicht mehr. In der SPD hat Michael Müller, der Stellvertreter des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, das Vertrauen der Partei verloren. Es gärt in der SPD. Der demokratische Normalfall in einer solchen Situation sähe so aus: Eine kraftvolle Opposition bereitet der zerstrittenen, glücklosen Regierung ununterbrochen Ärger, zwingt sie zum Handeln und bereitet sich auf einen Machtwechsel vor. Leider funktioniert in Berlin zur Zeit nicht einmal das.

Die CDU, zweitgrößte Partei, ist in eine Koalition mit der SPD eingebunden, folglich hört man aus dieser Ecke nicht viel Kritik am Regierenden Bürgermeister. Gleichzeitig ist es der CDU gelungen, in erstaunlich kurzer Zeit den vorhandenen Berliner Problemen neue hinzuzufügen. Sowohl der Justizsenator Michael Braun als auch die Wirtschaftsenatorin Sybille von Obernitz haben sich als Fehlgriffe der CDU herausgestellt. Das sind zwei ziemlich wichtige Posten. Der Fraktionsvorsitzende dagegen ging lediglich seines Doktortitels verlustig. Eine Razzia im Rockermilieu scheiterte, keine schöne Sache für den Innensenator. Wer also behauptet, in Gestalt der CDU stünde die strahlende Alternative zur Langzeit-Regierungspartei von Klaus Wowereit bereit, der muss schon ein gegen jeden Zweifel resistenter Anhänger der CDU sein.

Die Opposition aber besteht aus einer heterogenen Ansammlung recht verschiedener politischer Richtungen. Um sich eine gemeinsame Regierung aus Grünen, Linken und Piraten vorzustellen, muss man ein extrem kühner politischer Denker sein.

Berlin wird nicht gut regiert. Es gibt aber keine Alternative. So etwas heißt in der Welt des Theaters „Tragödie“. Bei einer tragischen Konstellation gibt es für die handelnden Figuren keinen Ausweg, egal, was sie tun. Entstanden ist diese Lage, weil seit vielen Jahren keine Regierungsbildung ohne die SPD mehr möglich ist. Die anderen sind einfach alle zu zerstritten. Bei den vergangenen Wahlen konnte man folglich ankreuzen, was man wollte, am Ende lachte Klaus Wowereit und suchte sich, obwohl seine Ergebnisse nicht glänzend waren, entweder die Grünen oder die Linken oder die CDU als Juniorpartner aus, als Nächstes womöglich die Piraten.

Wenn eine Regierungspartei nicht abgewählt werden kann, dann ist dies eine in Demokratien zumindest unübliche Konstellation. In der DDR gab es das ständig. Die Folge dieser Konstellation scheint jene Wurstigkeit zu sein, die bei dem Flughafendebakel zu besichtigen ist. Was nicht heute eröffnet wird, das eröffnen wir halt morgen. Berlin wird nicht gut regiert, weil die Regierenden nicht unter ausreichendem Leistungsdruck stehen, und weil das Parteiensystem zu wenige Koalitionsmöglichkeiten bietet.

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