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In Berlin geht heute die Schule wieder los.

© dpa

In Berlin beginnt das neue Schuljahr: Weniger Bildungsideologie, bessere Schulpolitik

In Berlins Schulen ging es viel zu lange um Strukturen. Doch das hat sich zum Glück geändert. Das neue Schuljahr wird begleitet von einer entideologisierten Entspanntheit, bei der wieder Kinder im Mittelpunkt stehen - und nicht pädagogische Konzepte.

Kinder sind der Schatz einer Stadt. In Berlin schienen sie lange eine Last. Zumindest für die Schulen, wo es lange zu viel um Strukturen ging. Das hat sich geändert, endlich. Das neue Schuljahr wird begleitet von einer entideologisierten Entspanntheit, bei der wieder Kinder im Mittelpunkt stehen und nicht pädagogische Konzepte, die gut gemeint sind, aber schlecht umgesetzt werden. Zunehmend wird mit pragmatischem Augenmaß gehandelt, damit Schule von Schülern und Lehrern nicht als Frustanstalt empfunden wird.

Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD), der bei Amtsantritt als gänzlich Unerfahrene in Sachen Schule beste Schiffbruch-Chancen vorausgesagt wurden, hat Anteil an der Entspannung. Sie hat den Reformfuror eingedämmt und Ruhe ins System gebracht. Lehrer werden nicht mit weiteren, oft schlecht vorbereiten Neuerungen überfordert, sondern können sich mehr auf die Schüler konzentrieren. Sind so kleine Dinge, die gut sind für kleine Kinder: Dazu gehört, dass endlich Rückstellungen von Erstklässlern leichter möglich sind, wenn Eltern meinen, dass ihr Kind noch nicht mit fünf Jahren in die Schule gehört. Es zählt auch die entschleunigte Einführung der umstrittenen Inklusion dazu, die für viele Eltern ein Schrecken ist, weil sie befürchten, dass Grundschüler überfordert werden, wenn Behinderte und Nicht-Behinderte zusammen lernen. Nun wird gemacht, was selbstverständlich sein sollte: Lehrer werden erst einmal für die neue Aufgabe ausgebildet. Segensreich wirkt sich auch der vorverlegte Einstellungstermin aus: Anders als früher sind beim Schulstart nun alle neuen Lehrer da. Und die Zahl der dauerkranken Lehrer ist drastisch zurückgegangen, seitdem der Amtsarzt schneller zu Hause klingelt.

Nicht alles ist Scheeres’ Verdienst. Vieles wäre ohne veränderte Prioritäten in der Berliner SPD-CDU-Koalition nicht möglich. Bildungschancen erhöhen, Familien stärken und soziale Konflikte entschärfen sind zentrale Themen, bei denen sich christdemokratische Werte mit sozialdemokratischem Gerechtigkeitsempfinden paaren. Vor allem SPD-Fraktionschef Raed Saleh, selbst Migrant, der die Bedeutung der Bildung für eine erfolgreiche Integration kennt, hat Druck gemacht. Das 100-Millionen-Euro-Programm, mit dem Brennpunktschulen in den kommenden Jahren unterstützt werden, gäbe es ohne ihn nicht. Saleh hat auch dazu beigetragen, dass 580 Millionen Euro bereitstehen, um Schulen zu sanieren.

Ein möglicher Streik der angestellten Lehrer wäre jetzt ein Störgeräusch: überflüssig und überzogen. Entscheidend ist die Rückkehr zur Lebenswirklichkeit, gerade noch rechtzeitig. Denn erstmals seit 1997 steigen die Schülerzahlen. Das geht weiter. Einige Bezirke werden es schwer haben, genügend Schulen bereitzustellen. Nicht abnehmen werden auch die Probleme in sozial schwachen Kiezen. In wenigen Jahren stammt jeder zweite Schüler aus einer Migrantenfamilie; in einigen Bezirken sind es bereits mehr als 60 Prozent. Eine gute Idee ist deswegen das neue Frühwarnsystem, mit dem verhindert werden soll, dass Schulen in sozialen Brennpunkten kippen. Schließlich wurde über die Probleme der nun verschwundenen Hauptschule erst gesprochen, als nichts mehr zu retten war. Dazu darf es nicht wieder kommen; weder in den Grund- noch in den neuen Sekundarschulen, die beweisen müssen, dass sie nicht nur verkappte Hauptschulen sind. Wenn mehr gehandelt wird und weniger ideologisiert, ist das gut für die Schule. Denn gute Schule braucht eines zum Lernen: Ruhe.

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