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Meinung: In den Blumentopf, nicht in den Hals

„Umckaloabo“ hat keine wissenschaftlich bewiesene Wirkung

Alexander S. Kekulé Deutschlands Eltern und Kinderärzte entdecken derzeit ihre Liebe zu Khoisan, der Klicksprache der südafrikanischen Buschleute. Ein Wort zumindest haben viele schon ganz passabel gelernt: „Umckaloabo“, was angeblich so viel wie schwerer Husten bedeutet. Vielleicht kommt der Zungenbrecher aber auch von „umkhuhlane“, dem ZuluWort für Erkältung. Andere behaupten, es handele sich um eine der etwa 250 südafrikanischen Geranienarten, die ja eigentlich Pelargonien heißen, oder vielleicht um zwei verschiedene Geranienarten, je nach örtlicher Flora der Buschmänner.

Trotz der etymologischen Verwirrung ist eins zumindest sicher: Mit dem U-Wort der Hottentotten ist richtig viel Geld zu verdienen. Der Wurzelextrakt der südafrikanischen Kapland-Pelargonie mit dem geschützten Handelsnamen Umckaloabo ist seit Jahren der Renner unter den Erkältungsmitteln. Laut „Arznei-Telegramm“ lag der Umsatz vor zwei Jahren bereits bei 55 Millionen Euro, mit zweistelligen Wachstumsraten. Dieses Jahr werden wohl um die zehn Millionen Fläschchen des braunen Wurzelsuds über deutsche Apothekentresen gehen, Tendenz weiter steigend.

Glaubt man der Werbung, entfaltet Umckaloabo bei Erkältungskrankheiten gleich drei Wunderwirkungen: Bakterien hemmen, die Abwehr gegen Viren verstärken, Schleim lösen. Das Ganze auf pflanzlicher Basis und ohne jede Nebenwirkung. Wenn das stimmte, hätten der schwäbische Hersteller ISO-Arzneimittel und sein Vertriebspartner Spitzner die Eier legende Wollmilchsau der Medizin erfunden – und die Großen der Branche ganz schön vorgeführt. Zur werbewirksamen Legendenbildung verbreitet Spitzner die Geschichte des tuberkulosekranken Engländers Charles H. Stevens, der 1897 von einem Zulu- Heiler das Geheimrezept bekam und nach Europa mitnahm. Das „moderne Therapiekonzept“ stamme mithin „erstaunlicherweise nicht aus den Forschungslabors der Chemieriesen, sondern aus der Savanne Südafrikas“.

Aus wissenschaftlicher Sicht hat Umckaloabo jedoch keine nachgewiesene Wirkung. Der einzige Effekt ist eine schwache Hemmung von Bakterien, die jedoch erst beim Tausendfachen der Dosierung des Arzneimittels beobachtet wird. Davon abgesehen kommt es bei der Anwendung gar nicht zum direkten Kontakt des Wurzelsuds mit Bakterien in den Atemwegen, weil dieser geschluckt und im Magen verdaut wird. Auch die anderen angeblichen Wirkungen – gegen Viren und Schleim – sind nicht belegt, die wenigen Studien sind lückenhaft und lassen keine fundierte Aussage zu.

Vielleicht finden die Forschungslabors der Chemieriesen ja in Umckaloabo eines Tages tatsächlich einen Wirkstoff. Ein Großteil der potenten Arzneimittel, vom Aspirin bis zu den neuesten Malariamitteln, wurde einmal in der Natur entdeckt. Allerdings könnten dies durchaus auch Wirkungen gegen ganz andere Krankheiten oder gefährliche Nebenwirkungen sein. Hinweise existieren bereits auf eine Hemmung der Blutgerinnung durch Umckaloabo. Dass das angebliche Wundermittel ausgerechnet von Kinderärzten millionenfach verschrieben wird, ist deshalb nicht zu vertreten. Dann doch lieber gleich Homöopathie: Die hat zwar ebenfalls keine nachweisbare Wirkung, dafür auch keine Nebenwirkungen – und ist billiger.

Obwohl Umckaloabo seit über hundert Jahren bekannt ist, hat es sich nur in Deutschland zum Verkaufshit entwickelt. Vielleicht liegt das auch daran, dass in der massiven Werbung ein wichtiges Detail der Savannensaga fehlt: Schon Charles H. Stevens wollte das Wundermittel vermarkten, in seiner Fabrik in Wimbledon stellte er den Geranienextrakt in großem Stil her. Weil er die Wirkung von „Stevens’ Tuberkulosemittel“ jedoch nicht beweisen konnte, wurde er 1909 von der britischen Ärztevereinigung als Scharlatan verurteilt, musste 2000 Pfund Strafe zahlen und war zeitlebens ruiniert. Vielleicht hätte er mit seinen Geranien vom Kap doch das Einzige tun sollen, wofür sie bis heute wissenschaftlich einwandfrei geeignet sind: Sie auf dem Balkon einpflanzen.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle.Foto: J.Peyer

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