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Meinung: In der großen Stadt

„Jetzt ist Feierabend“ von Werner van Bebber vom 11. April Es kann doch nicht wirklich ernst gemeint sein, 18 000 Euro dafür auszugeben, dass Konfliktberater erst mal „allen Beteiligten“ die Probleme verdeutlichen, um dann „die künftige Nutzung der Brücke“ zu klären.

„Jetzt ist Feierabend“

von Werner van Bebber vom 11. April

Es kann doch nicht wirklich ernst gemeint sein, 18 000 Euro dafür auszugeben, dass Konfliktberater erst mal „allen Beteiligten“ die Probleme verdeutlichen, um dann „die künftige Nutzung der Brücke“ zu klären. Den Anwohnern muss niemand die Probleme verdeutlichen. Und was die Nutzer betrifft, wer ist denn da der Gesprächspartner im Mediationsverfahren? Das täglich wechselnde Partyvolk etwa? Und was heißt überhaupt „Nutzer der Admiralbrücke“? Die Brücke ist immer noch öffentliches Straßenland, das von uns allen genutzt wird!

Aber es geht ja gar nicht nur um die Admiralbrücke, die ist im Moment nur die „angesagte Location“, von der die RBB-„Abendschau“ schon Anfang April jubelnd verkündete, sie sei „wieder eröffnet“. Irgendwann zieht die Karawane dann „mit Jesang in det nächste Restorang“, und weil das schöne Mediationsverfahren natürlich erfolgreich sein wird – wetten, dass Mitte November keiner mehr auf der Brücke hockt?! – könnte Konfliktberater auf Jahre hinaus ein gefragter Beruf werden. Es sei denn, irgendeiner merkt mal, dass es hier um einen Berlin-Tourismus geht, der der Stadt auf Dauer nicht bekommt. Er bringt nichts ein außer Lärm, Dreck und Ärger.

Draußen zieht gerade wieder eine grölende Horde stockbesoffener Kids vorbei, wie fast jede Nacht bis in die Morgenstunden, auf dem Weg in ihre Billighotel-Betten. Fast-Food-Verpackungen, leere Dosen und was man sonst noch so alles da fallen lassen kann, wo man gerade steht, säumen ihren Weg, und weil man auch die Abkürzung über die Höfe nehmen kann, wo es so schön schallt, kommt gelegentlich auch noch der kleine Polenböller zum Einsatz. Zuhause würden sie diese Art von „Freiluftspaß“ nie wagen, aber fern von Mami und Papi lassen sie die Sau raus in der großen, anonymen Stadt.

Soziologische Erkenntnisse über das veränderte Freizeitverhalten Jugendlicher im öffentlichen Raum helfen da nicht weiter, eher die Erinnerung an eine stinknormale Grundregel für das Zusammenleben in einem Gemeinwesen: die Verwirklichung individueller Ansprüche geht nur so weit, wie damit nicht die Bedürfnisse der Allgemeinheit verletzt werden; wer seinen Willen ohne Rücksicht auf andere durchzusetzen versucht, verhält sich schlicht unsozial.

Für diese Erinnerung braucht's kein Mediationsverfahren, nur den öffentlich bekundeten Willen, sich nicht alles bieten zu lassen von Leuten, die Menschen mit anderen Lebensentwürfen so gern als Spießer beschimpfen und dabei gar nicht mitkriegen, wie autoritär sie selbst sind. Vielleicht traut sich unser Kreuzberger Bürgermeister ja mal …

Ingrid Döring, Berlin-Kreuzberg

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