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Meinung: In Hannovers Zooviertel würde Schröder wahnsinnig

Roger Boyes, The Times

Wer keine Kinder hat, versteht kaum die Sprunghaftigkeit, mit der ihre Gehirne funktionieren. Man überschätzt dann schlicht ihre Konzentrationsfähigkeit und verliert irgendwann ihre Aufmerksamkeit. Schaut man Angela Merkel dabei zu, wie sie mit Kindern redet, dann ist es so, als betrachte man das Andockmanöver der Discovery an die Raumstation ISS – ein tastender, mechanischer Prozess, inszeniert für die Kameras. Schröder ist da besser. Er lässt im Wahlkampf zwar das Klischee der Kinderküsserei aus – in Zeiten wie diesen sollte man sich auch nicht von fremden Erwachsenen küssen lassen –, aber er lässt sie seine Nase streicheln. Kein Wunder, dass die Kinderreporter des ARD„Morgenmagazins“ Schröder vor die Kamera kriegten, Merkel aber nicht. Was er sich wünschen würde, fragten sie ihn. Gesundheit, antwortete der Kanzler. Man beachte: Nicht Weltfrieden oder Wohlstand für Deutschland. So ist es, sogar einem Politiker können Kinder noch eine tiefe Wahrheit entlocken.

Schröder hat sich Gedanken über seinen Ruhestand gemacht und da spielen Geld und Gesundheit plötzlich eine große Rolle. Als Doris vor einigen Jahren andeutete, sie würde ihn irgendwann im Rollstuhl durch die Gegend schieben, war er gekränkt. Macht zerstört Gesundheit; das Adrenalin des Führens überschminkt den Verfall. Clinton hat Herzprobleme, Chirac ist im Krankenhaus. Jetzt, da ihm die Macht entgleitet, denkt Schröder vermutlich an sein Alter und, mit einer jungen Familie, an die eigene Sterblichkeit. Die Angst vor dem Tod kann man durch das Streben nach Geld unterdrücken und deshalb wird aus Schröder eher ein Geschäftsmann als ein Memoirenschreiber.

Als ich in dieser Woche die Plathnerstraße, Schröders Hannoveraner Kiez, herunterschlenderte, wurde mir bewusst, wie schwierig es für ihn sein wird, sich in diese Vorortexistenz hineinzuquetschen. Sich 200 Quadratmeter mit einer Teenagerin, einer herumtollenden Vierjährigen, einem Hund, der unter einer schwachen Blase leidet, einer Katze (gegen die er allergisch ist) und einer jungen, ehrgeizigen Frau zu teilen – nicht gerade der Himmel auf Erden. Das Haus hat niedrige Decken, bombensichere Fensterläden, einen kleinen Garten. Charmant, aber Könige im Exil sind großzügiger untergekommen. „Hannover bleibt Kanzlerstadt!“, steht auf einem Poster neben der Polizeiwache. Unterschrieben von „Deiner SPD“. Ich mag das „Deine“. Was wird wohl aus diesen Postern nach dem 18.? Und aus Schröder? In Hannovers Zooviertel würde er wahnsinnig.

Seit Jahren hat Schröder mit zwei Ideen gespielt: in New York als Banker arbeiten oder seinen Ruf als Autokanzler ausnutzen. Aber wäre Gerd, der Ex-Friedenskanzler, in New York noch immer willkommen? Und was das Autogeschäft angeht, so läuft das so schlecht, dass VW seine fünfminütigen Pinkelpausen gestrichen hat. Nicht wirklich etwas für Schröder, der – berichten Freunde von ihm – wegen seiner schwachen Blase von Bier auf Wein umgestiegen ist. Holly hat vielleicht Herrchens Zipperlein geerbt.

Irgendwie wird Schröder, wie Clinton, einen Weg finden müssen, um die politische Karriere seiner Frau zu finanzieren. Fünf Optionen sind denkbar:

Hollywood. Nach der Oscarnominierung für seine Darstellung beim Duell („Ich liebe meine Frau“) ist klar, dass er das Zeug zum erfolgreichen Filmproduzenten hat. Vorteil: Er darf Angelina Jolie küssen. Nachteil: Untergang II?

Gerichtssaal. Den alten Beruf ausüben. Vorteil: Saddam braucht einen guten Verteidiger. Nachteil: Schily ist besser.

Doch New York. UN-Generalsekretär anstelle von Kofi? Vorteil: Deutschland bekommt doch einen UN- Sitz. Nachteil: wieder Streit mit George.

Mein-Freund-Wladimir-Option. Berater für Gasprom oder irgendeine andere Energiefirma. Vorteil: endlich Gas geben! Nachteil: Putin geht 2008.

Mein-Freund-Udo-Option. „Gerds Haarsalon“, bundesweit. Vorteil: Graue Eminenz. Nachteil: Angela als Kundin.

Noch ist Zeit bis zum 18.9. Und – wer weiß? – vielleicht gewinnt er doch. Dann sind wir, nicht er, auf Jobsuche in New York.

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