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Meinung: In Würde arbeitslos?

Die Widerstände gegen Hartz’ Pläne für den Niedriglohnsektor sind von gestern

Von Dagmar Rosenfeld

Die Hartz-Kommission hat viele, vielleicht zu viele gute Ideen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit entwickelt. Die Umsetzung der Vorschläge ist für den Kanzler beschlossene Sache. Da gibt es keine Diskussion, jetzt wo Wahlkampf ist – das hat er seiner Partei deutlich zu verstehen gegeben. Und so wird das Konzept zur Reform des Arbeitsmarktes an den Genossen vorbeigeschleust, ohne Kritik, ohne Beratung. Denn wenn die SPD noch gewinnen kann, dann nur mit geschlossenen Genossen. Deshalb ist jetzt abnicken und Mund halten angesagt. Ein Narr, wer da laut sagt, was er wirklich von dem Opus Magnum der Hartz-Kommission hält.

Kein Narr, aber ein sozialistisch Überzeugter aus einer noch etwas röteren Partei hat nun ausgesprochen, was andere nicht zu denken wagen. Der mecklenburgische Arbeitsminister Holter lehnt Hartz’ Vorschläge zur Ausweitung des Niedriglohnsektors für Beschäftigte im Haushalt ab: Die Arbeit als Haushaltshilfe sei eine unwürdige Arbeit.

Verdenken kann man Holter seine Äußerung noch nicht mal. Denn so hat er es gelernt. Dem real unfreundlichen Sozialismus ist der Dienstleistungsgedanke fremd, weil es offiziell nie Dienstleistungen gegeben hat. Der Service beschränkte sich meist auf knurrige Kellner. Und Dienstleistungen im Haushalt kamen im gelenkten Diskurs des Arbeiter- und Bauernstaates kaum vor. Natürlich musste auch im Sozialismus geputzt, gebügelt und gewickelt werden. Nur haben die berufstätigen Frauen den Haushalt nebenbei geschmissen, im Augenwinkel der patriarchalisch-proletarischen Gesellschaft.

Doch diskriminiert wurden Dienstleistung und Hausarbeit nicht nur im Osten. Auch die Linke im Westen fand es minderwertig und wenig schick. Darum wurde die steuerliche Bevorzugung von Haushalts- und Kinderhilfe als „Dienstmädchenprivileg“ denunziert, das sich nur „die Reichen“ leisten können. Ein Irrtum. Denn die gönnen sich auch ohne steuerliche Vergünstigungen eine Haushaltshilfe. Die Gewinner solcher Regelungen wären einerseits Selbstständige, Alleinerziehende oder Doppelverdiener, die trotz Mobilität und beruflicher Flexibilität Familie haben oder gründen wollen – Schröders neue Mitte eben. Und zum anderen natürlich die Arbeitslosen, die dann eine legale Möglichkeit auf eine neue Stelle haben.

Was also ist würdig? Ist es würdig, den Kinderwunsch vergessen zu müssen, weil keine flexiblen Betreuungsmöglichkeiten da sind? Ist es würdig, illegal arbeiten zu müssen, weil die gesetzliche Regelung keine andere Wahl lässt? Ist es würdig, gar keine Arbeit zu haben, weil einige meinen, die Arbeit im Haushalt sei minderwertig? Hausarbeit an sich ist nicht minderwertig. Das wird sie erst durch Äußerungen wie die von Helmut Holter oder von denen, die vom Dienstmädchenprivileg reden.

Die Förderung von Dienstleistung in Privathaushalten ist ein Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Selbst wenn künftig mehr staatliche Versorgungsplätze für Kinder angeboten werden können, brauchen viele in der neuen Mitte zusätzlich private Unterstützung. Wenn es die Oma nicht sein kann, dann eben jemand, den man dafür ordentlich bezahlt – und gesetzlich versichert. Oder soll die neue Mitte am Ende nur noch aus Kinderlosen bestehen?

Auch den Arbeitslosen ist mit einer ideologischen Diskussion über Würde am allerwenigsten gedient. Vielmehr nimmt ihnen eine solche Debatte die Chance, wieder ins Erwerbsleben einzusteigen.

Manchmal ist es vielleicht ganz gut, dass Schröder nicht lange diskutiert, sondern entscheidet. Auch wenn er seine Partei erst mal überrumpelt. Und später überzeugt. Vielleicht nach der Wahl.

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