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Integrationsgipfel: Anschwellende Verbalattacken

Während gut gemeinte Gipfeltreffen mit Leerformeln garniert werden, sind die Signale des Misstrauens gegen Migranten selten auf Politchinesisch formuliert.

Das muss man wirken lassen: „Mit dem Integrationsgipfel am 3. November fällt der Startschuss für den Nationalen Aktionsplan … Der Aktionsplan konkretisiert den Nationalen Integrationsplan und entwickelt ihn weiter.“ Es scheint ein Kardinalfehler der sogenannten Integrationspolitik zu sein, dass sie so überhaupt nicht zum Event taugt. Wo sie etwas bewirkt, liefert sie keine Bilder, wo nicht, sind es keine schönen. Und wer Events so liebt wie die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, muss den inzwischen vierten „Integrationsgipfel“ mit solchen Sätzen ankündigen. Ein Plan nach dem andern, wobei der eine den andern „konkretisiert und weiterentwickelt“ – alles klar?

Man könnte das Gipfelspektakel wie andere abhaken. Doch Integrationspolitik lebt, vielleicht mehr als andere Felder der Politik, von Symbolen. Während aber gut gemeinte Gipfeltreffen mit Leerformeln wie der eingangs zitierten garniert werden, sind die Signale des Misstrauens gegen Migranten selten auf Politchinesisch formuliert: Da fehlt in keinem Bekenntnis zur Integration der erhobene Zeigefinger gegen die „Unwilligen“. Da werden die Anforderungen für Zuzügler verschärft. Da spricht der Innenminister von zehn bis fünfzehn Prozent Integrationsverweigerern – was immer er damit meint – und sucht dann nach Belegen. Und da läutet die Kanzlerin das Gipfeltreffen mit einem Interview ein, in dem sie ausgerechnet für das am meisten abgewirtschaftete konservative Mantra eine rettende Neuformulierung präsentiert: Deutschland ist kein Einwanderungsland mehr, heißt die neue Formel. Das sei es nur bis zum Anwerbestopp im Jahr 1973 gewesen.

Wenn schon das Geld, das Integration eben auch kostet, so zögernd gegeben oder gar gekürzt wird: Könnten nicht wenigstens die Verbalattacken aufhören? Dass Deutschland kein Einwanderungsland sein soll, obwohl ein Fünftel seiner Bewohner Migranten sind, ist als Tatsachenbehauptung lächerlich. Jenseits davon beleidigt der Satz alle Einwanderer und ihre Nachkommen. Man tut so, als gebe es sie nicht.

Das ist respektlos. Und wenn Bildung denn der Schlüssel zur Integration sein soll, dann ist Respekt sein Schlüsselloch. Sie sind schließlich überall, die Ingenieure, Ärzte, Abgeordneten, Professorinnen mit türkischen oder arabischen Namen, deren Karriere mit dem Satz eines Lehrers begann: „Du wirst nicht mal die achte Klasse schaffen.“ Dass sie es trotzdem schafften, lag oft daran, dass andere an sie glaubten und sie ermutigten.

Natürlich ist Geld nötig, damit solche Erfolgsgeschichten nicht vom Zufall abhängen, damit etwa Lehrer nicht mehr für die Gesellschaft der 1950er Jahre ausgebildet werden, sondern das pädagogische Besteck und die Zeit für rein migrantische Klassen bekommen. Aber damit Behörden bunter und respektvoller auch Neubürgern gegenüber werden, damit Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt seltener wird, braucht es keinen Cent, sondern eine Kultur des Respekts. Die kann auch die Regierung fördern.Ohne Gipfel, mit jedem Interview. Kostenlos und jeden Tag.

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