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Islamdebatte: Verrat an der Aufklärung

Alles oder Nichts, Gut und Böse. Dazwischen gibt es wenig. Die Islamdebatte trägt fundamentalistische Züge – und erschwert die Problemlösung.

Die Kirchen haben unaufgeregt ihren Beitrag zur erhitzten Debatte über muslimische Migranten und Integration geleistet: Gemeinsam übermittelten die katholischen und evangelischen Bischöfe Berlins den Muslimen ihre Segenswünsche zum Ende des Ramadans, zum Fest des Fastenbrechens, das in Deutschland ab heute gefeiert wird: Eid Mubarak! Wie wohltuend versöhnlich diese eigentlich selbstverständlichen Glückwünsche klingen. Kein Wort über mangelnden Integrationswillen, keine Aufregung über die mögliche Demokratieunfähigkeit des Islam. Sondern wohlwollende Empathie gegenüber den gläubigen Muslimen, die in diesem Land leben.

Fast sind die Kirchen zu beneiden, sie dürfen das, so von Gläubigem zu Gläubigem, ganz unverfänglich. Denn ansonsten hat die öffentliche Debatte um den Islam und die Muslime in Deutschland hysterische Züge angenommen; die Islamkritiker sehen in der Religion eine fundamentale Bedrohung westlicher Werte, unreformierbar und absolut. Verfechtern einer differenzierteren Sicht werfen sie Verrat an den Idealen der Aufklärung und der westlichen Zivilisation vor. Dazwischen gibt es wenig. Alles oder Nichts, Gut und Böse.

Munition liefern ihnen immer wieder Irrungen wie Steinigungsurteile im Iran oder die Morddrohungen gegen den Zeichner der Mohammed-Karikaturen, Kurt Westergaard. Dagegen wird zu Recht protestiert. Und dem Dänen Westergaard wird der Rücken mit Auszeichnungen gestärkt – heute erhält er den Medienpreis der Potsdamer Journalistenvereinigung.

Beunruhigend ist aber, dass der Diskurs der Islamkritiker wie ein Spiegelbild des Diskurses fundamentalistischer Islamisten wirkt, die meinen, ihre eigene Kultur gegen die Bedrohungen durch die westliche Moderne verteidigen zu müssen. Auf beiden Seiten gibt es dann ebenso parallel Zustimmung breiter Bevölkerungsschichten zu den provokantesten Thesen in diesem Kampf um Identitäten. So wurde die Partei des niederländischen Islamhassers Geert Wilders drittstärkste Kraft bei den Parlamentswahlen. Auch wenn die Berliner CDU-Fraktion am Dienstag René Stadtkewitz ausschloss, weil er den Hetzer Wilders nach Berlin einlud: Die Malaise über die rasante Transformationen der eigenen Gesellschaften ist in Europa und in der arabisch-muslimischen Welt nicht zu übersehen und muss offen angesprochen werden.

Aber es ist verheerend, wenn der oft fundamentalistische Diskurs der deutschen Islamkritiker auf handfeste gesellschaftliche Probleme mit muslimischen Bürgern oder Einwanderern trifft. Da fällt es den deutschstämmigen Nachbarn schwer, zu unterscheiden, was an Kultur und Religion liegt und was seine Ursache in Armut und sozialem Umfeld hat. Der Slogan „Der Islam ist schuld“ ist ebenso eingängig und unsinnig wie der Wahlspruch der Islamisten in der arabischen Welt „Der Islam ist die Lösung“. Glücklicherweise haben wir noch die Kirchen, welche die Muslime als Angehörige einer großen Weltreligion wahrnehmen und auf sie zugehen können.

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