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Meinung: Islamistische Internationale

Von Christoph von Marschall

Das war nicht bloß ein Anschlag, das war ein generalstabsmäßiger Angriff. In Kompaniestärke überfielen Glaubenskrieger gleich drei Städte in Inguschetien, der Nachbarrepublik Tschetscheniens. Sie zeigen, erstens, was von Präsident Putins Behauptung zu halten ist, der Kaukasus stehe vor der Befriedung. Und zweitens, wozu sie fähig sind; die Frage ist nur: immer noch oder schon wieder?

Am 9. Mai hatte der Anschlag auf Moskaus Statthalter Kadyrow bei der Siegesparade zum 60. Jahrestag des Endes des Weltkriegs Aufsehen erregt. Zuvor hatte es aber auch überraschend lange Phasen relativer Ruhe gegeben, als ginge den Kriegern die Kraft aus – was zur Frage führt, auf welche Ressourcen sie sich stützen: nationale oder internationale? In den zehn Jahren, die der Tschetschenienkrieg bereits dauert, hatten Moskaus Truppen die Rebellen allmählich aus den Ebenen und Städten verdrängt. Die halfen sich mit Partisanenüberfällen aus den Bergen und gingen vermehrt zu Terrorangriffen außerhalb Tschetscheniens über: in den Nachbarrepubliken Dagestan und Inguschetien, aber auch auf das MusicalTheater und andere „weiche“ Ziele in Moskau. Manche spekulierten, dies habe auch mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak zu tun. Es gebe eine islamistische Internationale; deren Truppen seien zu noch wichtigeren Schlachtfeldern weitergezogen, dort kämpften sie nun gegen Amerika, den aktuell gefährlichsten Satan, so wie einst als Mudschahedin in Afghanistan gegen die Sowjets oder in den 90ern auf dem Balkan an der Seite der Bosniaken und Albaner. In Tschetschenien bleibe die islamistische Nationale auf sich gestellt, sei nur noch fähig zu Anschlägen, nicht zur Feldschlacht.

Es ist nicht falsch, sich den islamistischen Terror als System kommunizierender Röhren vorzustellen: Wächst der Widerstand im Irak, nimmt er im Kaukasus ab, weil Geld und Kämpfer nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. Aber das ist nur ein Teil der Bedrohung. Neben der Internationale haben sich längst Nationalen des Terrors entwickelt, die eigenständig agieren. Osama bin Ladens Ideologie hat wie ein Krebsgeschwür metastasiert; die Infizierten sind weder auf ein Netzwerk wie Al Qaida angewiesen noch auf ihn als Befehlsfigur. Ihn zu fassen, ist symbolisch wichtig. Gegen internationalen Terror aber hilft nur internationale Kooperation, in einer klugen Mischung aus politischen und militärischen Ansätzen. Der Kampf dauert wohl eine ganze Generation.

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