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ITB: Einstürzende Urlaubsgebiete

Die ITB in Berlin feiert die Illusion von Normalität angesichts politischer Erdbeben. Die Unruhen im arabischen Raum haben mit Tunesien und Ägypten mindestens zwei immens wichtige Reiseländer erschüttert.

Tourismuswerber sind freundliche, weltläufige Menschen, die alles für ihr Land tun – auch wenn es gerade auseinanderbricht. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass Libyen sich auf der heute beginnenden Berliner ITB ungerührt als orientalisches Märchenland präsentiert, ungeachtet der Tatsache, dass das Auswärtige Amt von der Einreise dringend abrät.

Libyen ist damit nicht allein. Auf der Warnliste des Ministeriums stehen gegenwärtig noch 16 weitere Länder, einige von großer touristischer Bedeutung, einige eher obskur – in der Summe aber symptomatisch für eine Lage, die der stets freundlichen Multikulti-Stimmung der weltgrößten Reisemesse so gar nicht entspricht. Denn die Unruhen im arabischen Raum haben mit Tunesien und Ägypten mindestens zwei immens wichtige Reiseländer erschüttert, die für kontrollierte Exotik zum günstigen Preis standen.

Noch ist längst nicht vergessen, dass sich hinter der Fassade des stets lächelnden Thailands ein autoritärer Staatsapparat verbarg, am aufbrechenden Konflikt in Bahrein zeigte sich, dass auch die keimfrei auf Bling-Bling herausgeputzten Emirate keine Inseln der Urlaubsseligen sind. Und der tödliche Angriff auf die US-Soldaten in Frankfurt belegte gerade wieder, dass der islamistische Terrorismus jederzeit und überall neue Opfer fordern kann; die Einschläge rücken näher, auch wenn es diesmal keine Touristen traf.

Überdies haben die Unruhen in scheinbar so friedlichen Ländern wieder einmal die Illusion vieler Reisender zerstört, dass außerhalb der Pool-Landschaften der glitzernden All-Inclusive-Resorts blühende Landschaften warten, in denen gütige Operettenpräsidenten mit segnender Hand Ordnung schaffen. Oft sind dort draußen nämlich nur Polizeistaaten mit elenden Lebensbedingungen, über die wir nach den Umstürzen in Tunesien und Ägypten mehr wissen – das macht es sensiblen Touristen künftig weniger leicht, die Augen zu verschließen und üppige Trinkgelder schon als ausreichenden sozialen Ausgleich zu betrachten. Und möchte gegenwärtig jemand sein Urlaubsgeld auf die Stabilität von Kuba, Venezuela und der Dominikanischen Republik verwetten?

Die Zahl der Alternativen ist begrenzt. Die Kanarischen Inseln der Sicherheit nehmen immer gern zusätzliche deutsche Touristen auf, Mallorca und die anderen Balearen sowieso. Aber gerade dort lässt sich die Illusion des Massentourismus ohne sichtbare Massen immer weniger aufrechterhalten. Betonburgen à la Algarve laufen zwar nicht mehr, aber sie stehen nun mal da, und irgendwann sind die Flächen für neue, angeblich umweltverträgliche Hotelanlagen und Golfplätze auch verbraucht.

Für die ITB muss das nichts heißen. Es kann sein, dass wir einige ungewöhnliche Eruptionen hinter uns haben, denen eine lange friedliche Phase folgt. Wahrscheinlicher ist aber, dass politische Unruhen und steigende Ölpreise die Branche in zunehmendem Maße erschüttern werden. Das ist sogar eine gute Nachricht. Allerdings nur für jene von uns, die ihr Geld mit Tourismus zwischen Alpen und Nordsee verdienen.

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