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Meinung: Jagd im Unterholz

Die FDP streitet um die Macht, die sie nicht hat

Von Robert Birnbaum

Zu den Sprüchen, die wir von den Freien Demokraten bis zum Wahltag noch öfter hören werden, gehört der vom Fell des Bären. Man solle es, lautet die gängige Version, nicht verteilen, bevor der Bär erlegt ist. Das ist für eine Jagdgesellschaft im Prinzip ja ein ganz kluger Ratschlag. Erstens, weil – um im Bild zu bleiben – der Bär Regierungsmacht überhaupt nur zu fangen ist, wenn genügend Wähler sich bereit finden, ihn der FDP zuzutreiben. Wenn die Treiber hingegen vorschnell glauben, die Jagd sei doch längst gelaufen, verdrückt sich das scheue Tier am Ende still im Unterholz. Außerdem ist es allemal besser, mit geheuchelter Bescheidenheit in die Jagd zu ziehen, als hinterher beim Beute-Verteilen vom stärkeren Partner auf Kleinpartei-Maß gestutzt zu werden.

Das alles ist richtig, und jeder Jäger sieht es ein. Trotzdem werden wir in den nächsten Wochen bis zum Wahltag immer mal wieder einem FDP-Politiker beim virtuellen Fell-Verteilen ertappen – und es wird dies keineswegs immer nur der notorische Jürgen W. Möllemann sein. Denn es geht auch um die Hackordnung in der FDP; die wird schon festgelegt, bevor die Jagd beginnt.

In diesem präventiven Sinne, also nach innen gerichtet, müssen wohl die jüngsten Interventionen des Fraktionschefs Gerhardt und des NRW-Landeschefs Möllemann gedeutet werden. Gerhardt hat laut darüber nachgedacht, dass die FDP der Union programmatisch insgesamt näher stehe als anderen Parteien. Er hat damit begründet, weshalb er sich eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP nach der Wahl nicht gut vorstellen kann. Die kann sich sein Parteichef Guido Westerwelle auch nicht gut vorstellen, mag das aber nicht ganz so laut sagen und mag, vor allem, die Konsequenz Schwarz-Gelb nicht nennen, um nicht Wechselwähler aus dem eher sozialdemokratischen Umfeld zu verschrecken. Gerhardt hat sich also eine Rüge eingefangen, aber er hat zugleich den Claim abgesteckt: Wenn es mit Stoiber geht, bin ich jedenfalls dabei.

Auch Möllemann meldet schon mal Ansprüche an. Er plagt seinen Parteichef nur auf eine weniger abmahnbare Weise. Wer freilich Wochen vor der Wahl darüber räsoniert, welches Gremium wann in welcher Form ein Regierungs-Personalpaket verabschieden soll, verteilt das Bärenfell natürlich indirekt genau so wie der, der es offen tut. Möllemanns Ruf nach dem Sonderparteitag und sein Spiel mit dem Gedanken, ob nicht über Minister-Kandidaten ntlich einzeln abzustimmen wäre, enthält die schlichte Botschaft: Ich spiele wieder mit. Was übrigens nicht missverstanden werden sollte als Forderung nach einem Ministeramt für Jürgen W. selbst – auch wenn Möllemann dieses Missverständnis gern in Kauf nimmt. Es ist mehr eine Warnung an solche wie Gerhardt: Ohne mein Einverständnis, sagt der Chef des größten Landesverbands, wird der Pelz nicht zugeschnitten.

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