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Jean-Claude Juncker: "Berlin denkt ein bisschen simpel"

Bundeskanzlerin Merkel habe eine "uneuropäische Art", europäische Probleme zu lösen, meint Luxemburgs Premier. Jean-Claude Juncker äußert sich gerne mal schroff. Vielleicht sind die gelegentlichen Spitzen auch Ausdruck einer persönlichen Kränkung.

Es war wieder mal spät geworden beim jüngsten Treffen der EU-Finanzminister diese Woche. Die Journalisten interessieren sich nur für die gemeinsamen Euroanleihen, die Luxemburgs Regierungschef in einem Zeitungsbeitrag vorgeschlagen hatte. Was er denn zum brüsken Nein aus dem Bundeskanzleramt sage? Jean-Claude Juncker aber referierte seelenruhig über ganz andere Themen. Erst ganz am Schluss merkte er süffisant an, er habe schon einige Vorschläge gemacht, deren Wert erst nach vielen Jahren erkannt worden sei: „Es wird wieder so kommen.“

Diese Art von Gelassenheit hatte einst der Vater von ihm gefordert. Den hatten die deutschen Besatzer in eine Wehrmachtsuniform gezwungen und an die Ostfront geschickt. Später, längst aus russischer Gefangenschaft entlassen, erzählte er dem pubertierenden Jean-Claude, er habe dort geschworen, sich zurück in Freiheit nie wieder zu beklagen. „Und er hat sich auch nie mehr beklagt“, hat Juncker einmal berichtet.

Insofern wäre der Vater also wohl nicht einverstanden damit, dass es dann gelegentlich doch vorbei ist mit der Contenance. So wie am Dienstag, als Juncker in ein Mikrofon sagte, die Deutschen dächten beim Euro „zu simpel“ und ihre Kanzlerin habe eine „uneuropäische Art“, europäische Probleme zu lösen. Ähnlich schroff hatte er auch an jenem Abend reagiert, als Angela Merkel und Nicolas Sarkozy im Alleingang in Deauville das weitere Krisenmanagement vereinbart hatten.

Vielleicht sind die gelegentlichen Spitzen auch Ausdruck einer persönlichen Kränkung. Er, dienstältester Regierungschef Europas, Präsident der Eurogruppe, mehrsprachiger Vermittler aus dem kleinen Großherzogtum, der so viele europäische Kompromisse eingefädelt hat, er, der einst wegen seiner „Statur“, „Persönlichkeit“ und „Kompetenz“ von Helmut Kohl als „Glück für Europa“ bezeichnet wurde – er soll plötzlich nur noch eine kleine Nebenrolle spielen, wenn die Zukunft des Kontinents entschieden wird? Hinschmeißen wird der Christsoziale sicher nicht, dafür ist ihm die europäische Integration zu wichtig. Einer, der Juncker gut kennt, sagt, der Premier habe es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Europas Einigung „irreversibel“ zu machen, ehe die Jungen von heute die Macht übernähmen, die keinen persönlichen Bezug mehr zur kriegerischen Geschichte des Kontinents haben. Am Donnerstag wurde Juncker 56 Jahre alt.

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