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Jekaterina Samuzewitsch:: „Wir sind die Sündenböcke“

Sie ist eher leicht bekleidet, kämpft gegen Putin und singt bei der Punkband "Pussy Riot". Nun steht Jekaterina Samuzewitsch vor Gericht. Ein Porträt.

Besser hätte es ein Politikwissenschaftler nicht formulieren können: „Wir sind die Sündenböcke, die für die politische Krise in Russland büßen müssen.“ Doch der Spruch stammt von einer gerade erst 29-Jährigen und ist einer der wenigen, mit denen Jekaterina Samuzewitsch nicht gegen das Jugendschutzgesetz verstößt. Markenzeichen der schönen Wilden ist wüster Schmäh gegen die russische Machogesellschaft im Allgemeinen und gegen deren Vorturner im Besonderen. Gern lästert sie aus lichter Höhe gegen Putin und dessen Paladine: von Bäumen, Hausdächern und sogar Laternenmasten herab. Unter dem Decknamen kot („Katze“) war sie in der Szene schon länger eine Institution. Jetzt kennt ihren Namen fast die ganze Welt: Samuzewitsch ist Mitglied der feministischen Punk-Gruppe „Pussy Riot“. Und die hatte im Februar, zwei Wochen vor den Präsidentenwahlen, mit Häkelmasken vor dem Gesicht, sonst aber eher leicht und sehr schräg bekleidet, auf dem Altar der Moskauer Christ-Erlöser-Kirche zur Gottesmutter um Vertreibung Putins gebetet und dabei die orthodoxe Liturgie persifliert. Selbst liberale Intellektuelle sprachen von Geschmacksverirrung, Gläubige von Gotteslästerung und die Ermittler von Rowdytum und Anstiftung zu religiösen Hass. Ein Verbrechen, das in Russland unter den Straftatbestand von Extremismus fällt und mit bis zu sieben Jahren Haft geahndet werden kann.

Am heutigen Freitag beginnt in Moskau der Prozess gegen die Punkerinnen. Alle drei sitzen seit der Tat in U-Haft, obwohl zwei von ihnen Mütter von kleinen Kindern sind. Die Punk-Ladies stellen angeblich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Ein einschlägig vorbestrafter und erneut des Mordes Verdächtiger dagegen darf sich wegen erhöhten Blutdrucks bis Verhandlungsbeginn nach Hause. Es kommt in Russland eben auf die Täter, nicht auf die Tat an.

Forderungen russischer Bürgerrechtler, westlicher Künstler und Politiker, Milde walten zu lassen, brachten daher so wenig wie ein Hungerstreik der drei. Am längsten hielt Samuzewitsch durch, sie soll auch Wärter durch Verbalattacken und passiven Widerstand zur Weißglut gebracht haben. Gespannt harrt die Fangemeinde daher ihrer Auslassungen vor Gericht. Ein faires Verfahren, ließ sie über ihre Anwälte mitteilen, erwarte sie nicht. Amnesty International hat Samuzewitsch, Maria Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa zu Häftlingen aus Gewissensgründen erklärt. Elke Windisch

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