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Meinung: Jenseits des Röstigrabens

Die rechte SVP gewinnt auch in der französischen Schweiz dazu

Von Gerd Appenzeller

Das Ausland mag geschockt sein über den Wahlerfolg der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei, die am Sonntag mit 27 Prozent der Stimmen zur wichtigsten politischen Kraft in der Eidgenossenschaft wurde – aber auch im Lande selbst hat das Nachdenken über die Hintergründe dieses Erstarkens begonnen. Zum ersten Mal nämlich hat die SVP Christoph Blochers ganz deutlich den so genannten „Röstigraben“ übersprungen, die Sprach und Mentalitätsgrenze zwischen der Deutschschweiz und dem französischsprachigen Landesteil. Ganz offensichtlich ist der Züricher Milliardär jetzt auch für die katholische Minderheit in der Schweiz wählbar geworden.

Bislang vermutete man in dem so völlig anderen Wahlverhalten der Deutschschweiz gegenüber dem der Romandie, also in den italienisch und französisch geprägten Kantonen, vor allem eine Abgrenzung gegenüber Deutschland. Traditionell stehen die Schweizer in den Randregionen zum „großen Kanton“, wie sie Deutschland nennen, politisch mit dem Rücken zur Grenze. Die Kantone rund um den Genfer See, aber auch das Tessin, denken von jeher liberaler in allen gesellschaftspolitischen Fragen und weltoffener als die Innerschweiz, der Thurgau und St. Gallen. Nun haben Ängste vor der Globalisierung und Europäisierung offenbar das gesamte Land erfasst.

Die Folge: Blochers Truppe hat die historischen Kräfte der Mitte, die Freisinnigen und die Christliche Volkspartei, dezimiert, während an den Seiten Sozialdemokraten und Grüne ebenfalls stärker wurden. Blochers SVP beansprucht jetzt einen zweiten Sitz in der siebenköpfigen Landesregierung und setzt damit die seit 1959 geltende, so genannte „Zauberformel“ außer Kraft. Diese Formel beschreibt eine Besonderheit der schweizerischen Konkordanzdemokratie. Sie kennt keine Opposition, sondern bindet alle wichtigen Kräfte in die Regierung ein. Wenn Blocher sich durchsetzt, werden also Freisinnige oder die Christliche Volkspartei einen Regierungssitz abgeben müssen.

Was folgt aus dem Wahlergebnis? Mit Blochers Sieg werden die anti-europäischen und eng nationalen Elemente in der Schweizer Politik deutlich gestärkt. Das geradezu Dramatische an der sich darin ausdrückenden Wagenburgmentalität sind die Folgen für die Schweiz selbst. Unter der eidgenössischen Zwangsvorstellung, dass Europa zwar die Schweiz bräuchte, die Schweiz hingegen nicht Europa, leidet am Ende nur einer – die Schweiz.

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