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Meinung: Jetzt schlägt der Urwald zurück

Die Jagd auf Affenfleisch verbreitet das Ebola-Virus

Von Alexander S. Kekulé

WAS WISSEN SCHAFFT

Ein Trupp besonders wissbegieriger Vertreter der Spezies Homo sapiens durchstreifte zwei Jahre lang die Urwälder im westlichen Zentralafrika. Am Wochenende publizierten sie die Ergebnisse von einigen Tausend Stichproben auf Fleischmärkten und von mehr als fünfhundert Interviews über die regionalen Essgewohnheiten – und versetzten die Artenschützer in Entsetzen: Die Menschenaffen in Gabun und der Republik Kongo, wo 80 Prozent aller Gorillas und die meisten Schimpansen der Erde leben, wurden in nur 17 Jahren um mehr als die Hälfte dezimiert. Wenn das Sterben in diesem Tempo weitergeht, so die Forscher, werden in 33 Jahren weitere 80 Prozent der Primaten verschwunden sein.

Wahrscheinlich wird sich das Drama im Dschungel noch schneller zuspitzen: Bis vor kurzem galt der Verlust von Lebensraum und Nahrungsquellen durch Ausweitung der menschlichen Zivilisation als Hauptursache des Affensterbens. An diese wirtschaftliche Krise hatten sich die Waldbewohner erstaunlich gut angepasst: Sie zogen sich in weiter abgelegene Gegenden zurück und gewöhnten sich daran, mit weniger Lebensraum auszukommen. Artenschützer gingen deshalb bis vor kurzem davon aus, dass in der Republik Kongo und Gabun, zu 60 beziehungsweise 80 Prozent mit unberührtem Urwald bedeckt, halbwegs stabile Affenpopulationen leben.

Doch dann kamen der Krieg und die Affenjäger: Bereits im Bürgerkrieg der benachbarten Demokratischen Republik Kongo diente Affenfleisch den Kämpfern als wichtiges Nahrungsmittel. Auch Holzfäller, die mit schwerem Gerät tief in den Dschungel vordringen, ernähren sich von Affen und anderen Waldtieren. In ihren Schneisen folgen Wilderer, die das begehrte „Buschfleisch“ in den Städten teuer verkaufen: zusätzlich zur Jagd der Dorfbewohner, die ihre haarigen Verwandten als bequeme und billige Nahrungsquelle ansehen. Daraus ist auch ein kommerzielles Geschäft geworden.

Der heimtückischste Jäger im Dschungel kam jedoch erst jetzt ans Licht: Das EbolaVirus tötet in den Ländern unter dem Äquator jedes Jahr nicht nur einige Hundert Menschen, sondern auch unzählige Menschenaffen. In einer entlegenen Region Gabuns, in der es kaum Wilderer oder Holzfäller gibt, registrierten Wissenschaftler eine Dezimierung des Affenbestandes um mehr als 95 Prozent in 19 Jahren. Als wahrscheinliche Hauptursache gilt das Ebola-Virus, das bei zahlreichen toten Gorillas nachgewiesen wurde. Eine Ursache für die rasante Ausbreitung ist das zu enge Zusammenleben der Affen als Folge des knapp gewordenen Lebensraums.

Möglicherweise könnte jedoch das EbolaVirus zu einem Rachefeldzug ausholen. Auslöser für die regelmäßigen Ausbrüche in zentralafrikanischen Dörfern ist der Kontakt mit erlegten Affen und der Verzehr von infiziertem Fleisch. Auch das Aids-Virus ist wahrscheinlich einst durch die Schimpansenjagd auf den Menschen übergesprungen. Da für Buschfleisch ein weltweiter Schwarzmarkt existiert, ist es nur eine Frage der Zeit, bis irgendwo in einem hoch zivilisierten Land Ebola oder eine andere Urwaldseuche ausbricht. Spätestens dann wird der Homo sapiens die Jagd auf seine nächsten Verwandten endlich abblasen.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

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