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Josef Joffe: Was macht die Welt?

ZEIT-Herausgeber Josef Joffe versucht Paris und Berlin zu verstehen und macht sich Gedanken über das Neue in Religion und Wirtschaft.

Der EU-Gipfel endete in einem Eklat. Kann es mit Nicolas Sarkozy noch einen deutsch-französischen Motor geben?

Zum ersten Mal gab’s den ganz am Anfang, ca. 1950, als Paris das wieder aufstrebene deutsche Potenzial einbinden wollte und die Deutschen die vorläufige Unterordnung prächtig fanden, weil sie das Ende ihres Paria-Status war. Zum zweiten beim Bau der Währungsunion; beide wollten ihre Währungen gegen den Aufwertungsdruck durch den Dollarverfall schützen, und nach dem Mauerfall war’s ein klarer Deal: Kohl kriegt das ganze Deutschland, Mitterrand sozusagen die D-Mark. Drittens: Als sich Schröder und Chirac im Irakkrieg gegen Bush zusammenrotteten. Grundsätzlich sind Berlin und Paris befreundete Rivalen. Es geht aber immer weniger um Außen- und immer mehr um Innenpolitik. Und wer nach innen starrt, hat wenig Zeit für das gemeinsame à deux.

Papst Benedikt XVI. warnt in Großbritannien vor „aggressiven Formen des Säkularismus“. Hat er recht?

Mit „Säkularisierung“ ja, weil sich Europa seit Jahrzehnten „entchristianisiert“ – siehe Kirchenaustritte und leere Kirchen (außer in Polen und Irland). Aber es ist ein sanfter Säkularismus. Aggressiv ist der Neue Religionismus nicht nur in der islamischen Welt, der die Extremisten dazu bringt, im Namen des wahren Glaubens andere umzubringen oder nach der Bombe zu angeln. Das haben wir hier, äh, Gott sei Dank, hinter uns – siehe die Religionskriege im 16. und 17. Jahrhundert.

Wer hat aktuell das größere Problem: die SPD mit Thilo Sarrazin oder die Union mit Erika Steinbach?

Je ideologischer eine Partei, desto weniger schätzt sie „Abweichler“. Die Union, die es nach 1945 geschafft hat, Katholiken und Evangelen, Stadt und Land, Norden und Süden ins Zelt zu holen, ist da wesensgemäß gelassener. Bloß: In Wahrheit ist heute weder die SPD noch die Union eine Weltanschauungspartei, also sollten beide cool bleiben. Außerdem: Welcher Partei-Staatsanwalt möchte denn das ganze Sarrazin-Buch oder alle Auslassungen Steinbachs auf Justiziables durchkämmen? WmdW würde nur gegen Anti-Demokraten, rechts oder links, den Strich ziehen.

Ein Wort zur deutschen Außenpolitik ...

Unglaublich, wie das NDW, das Neue Deutsche Wirtschaftswunder, im Ausland bestaunt wird. Unter den großen West-Ländern geht’s nur den Deutschen (relativ) gut: mit dem schnellsten Wachstum, der niedrigsten Arbeitslosigkeit, dem kleinsten Defizit. Schröder arbeitet jetzt zwar für Russen und Schweizer, und Steinbrück schreibt Bücher, aber beiden möchte man im Nachhinein ein „Gut gemacht!“ zurufen.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“.

Die Fragen stellte Malte Lehming.

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