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Juden und Muslime: Das doppelte Feindbild

Die These lautet: Es gibt unverkennbare Parallelen zwischen Antisemitismus und Islamophobie. Der Urheber, Wolfgang Benz von der TU Berlin, muss dafür heftige Kritik einstecken. Darf man sowas nicht sagen?

Von Frank Jansen

Der Ton zeugt von reichlich Wut. Aus der „Jerusalem Post“ und von Bloggern im Internet ist das Verdikt zu hören, der Antisemitismus werde verharmlost, wenn man ihn mit Ressentiments gegen Muslime vergleiche. Die Kritik richtet sich gegen eine Koryphäe der Forschung über Antisemitismus, Wolfgang Benz. Es wird sogar behauptet, der langjährige Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin „trivialisiere“ den Holocaust. Härter kann ein Vorwurf in Deutschland kaum klingen, schlimmer wäre nur noch die Anklage, ein Nazi zu sein. Was hat Benz verbrochen? Das Zentrum will am Montag auf einer Konferenz das Verhältnis von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit ausleuchten, unter dem Motto „Feindbild Jude – Feindbild Muslim“. Benz hat bereits die These präsentiert, die Parallelen zwischen Antisemitismus und Islamophobie seien unverkennbar. Darf man sowas sagen, knapp 64 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz?

Man darf. Zumal Benz nicht, wie Faruk Sen, behauptet, Türken seien die neuen Juden Europas. Die Frage, ob die in Deutschland auch heute noch weit verbreiteten Ressentiments gegen Juden eine Wesensnähe zum Massenphänomen der Feindseligkeit gegenüber Muslimen aufweisen, ist legitim. Obwohl feststeht, dass der deutsche Antisemitismus in das unvergleichliche Verbrechen des industriellen Massenmords an Juden mündete – und Islamophobie nie auch nur annähernd so monströse Folgen hatte. Und es stimmt, dass viele Muslime gerne Israel vernichtet sähen, Israel selbst aber keine muslimische Nation ausrotten will. Doch beim Vergleich zwischen antijüdischen Vorurteilen in Deutschland und Stereotypen der Islamfeindschaft stößt man auf ähnliche, rassistische Mechanismen.

Antisemiten stigmatisieren „die Juden“ als „geldgierig“, außerdem wird ihnen ein Drang zur Weltherrschaft unterstellt. In den zunehmend hysterischen Debatten über Moscheebauten schüren Rechtspopulisten, aber auch ein Teil der Medien den Eindruck, „die Muslime“ wollten Deutschland unterwandern und sympathisierten kollektiv mit dem Terror. Das muss ein Vorurteilsforscher wie Benz analysieren, zumal Judenhasser und Islamfeinde oft identisch sind.

Die Vorwürfe gegen Benz offenbaren einen fatalen Hang, eine Art Opfer-Hierarchie zu errichten. Wer sich unter Verweis auf den Holocaust weigert, über Parallelen zwischen dem Antisemitismus und dem antimuslimischen Rassismus nachzudenken, markiert die Opfer der Judenhasser von heute als eine besondere Spezies und würdigt Opfer anderer Rassisten als weniger beachtenswert herab.

Um den Rassismus in Deutschland zu bekämpfen, muss man sich vergegenwärtigen, welche historischen und neuen Mechanismen der Ausgrenzung von Minderheiten, seien es Juden oder Muslime, virulent sind. Dieser schmerzliche Erkenntnisprozess wird auch nicht durch den Hinweis auf den Hass vieler Muslime gegen Juden und die Tiraden des iranischen Staatspräsidenten überflüssig. Denn es sind nicht alle Muslime Judenhasser, genauso wenig wie „die Juden“ Araber und Iraner hassen. Wer das Gegenteil behauptet, pauschalisiert wie Rassisten.

Es ist zu wünschen, dass die Debatte, die Wolfgang Benz vorantreibt, wieder sachlich geführt wird. In Respekt vor den Opfern antijüdischer, antimuslimischer und rassistischer Gewalt überhaupt.

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